Sonntag, 7. Oktober 2012

Verspätung

Ich muss euch leider mal wieder etwas vertrösten. Krankheits- und terminbedingt hat es mit dem neuen Teil noch nicht ganz geklappt.

Zum oben genannten kamen jetzt noch Zicken unseres neuen Internetanbierters, bzw. des damit verbundenen neuen Routers hinzu, der komischerweise etliche großen Seiten wie Facebook, ebay, usw. blockt.

Ich hoffe aber, das Problem bald gelöst zu haben. 

Gruß
Andreas

Sonntag, 23. September 2012

3. Kapitel Teil 15 - Ein seltsamer Tanz

Doch auch dieses Duell ging schnell vorüber. Es gelang dem großen Mann einfach nicht, die Schildverteidigung zu durchbrechen. Einen glücklichen Treffer konnte er zwar setzen, doch die anderen gingen alle an den Aequilloten. Somit war auch dieser Kampf entschieden.
In der Zwischenzeit war es noch wärmer geworden und die Luft staubig von den Duellen in der Arena. Kelor wäre dankbar um eine leichte Brise gewesen, doch Haevon hatte kein Einsehen mit den Wettkämpfern auf seinem Platz des Himmels.
Der nächste Kampf versprach dann wieder interessant zu werden. Freiherr Roderick wurde aufgerufen und zu ihm stieg der drahtige Mann mit den zwei Kurzschwertern. Das Publikum, das den ersten Gewinner des Wettkampfs erkannte, jubelte ihm laut zu, während dieser beiläufig zurück winkte. Kelor beäugte den Mann nun etwas genauer. Zuvor hatte er ihn ja nur von ihrer Vorbereitungsecke aus sehen können. Er war überrascht, dass er gar nicht so klein war, wie er zuvor noch gewirkte hatte. Der Hüne hatte hier das Bild ganz schön verzerrt, wie er nun erkannte und das, obwohl der Bär ebenfalls nicht gerade klein war. Allerdings wirkte er auch gegen seinen jetzigen Gegner noch immer sehr schmal. Mit einer leichten, ärmellosen Weste bekleidet, die von einem einfach Gürtel zusammengehalten wurde, sah man die sehnige Muskulatur der Arme und Brust darunter. Es schien, als wäre kein Gramm Fett an diesem Körper. Doch auch ihm hing bereits das lange Haar klebrig ins Gesicht. Kelor fragte sich, wie der Freiherr diese Hitze in seiner dunklen Rüstung ertragen konnte. Auch bei Kosch hatte er sich das bereits gefragt, doch bei dem lag es wohl mit am Blut der Zwerge, dass sie auch zu solch ausdauernden Schmieden machte. Der Freiherr jedoch schien keinen des Bergvolks in seiner Ahnenlinie zu haben.
„Wünscht Ihr die andere Klinge?“, fragte Kelor, als sich Freiherr Roderick ihm zuwandte. Er dachte, dass das große Schwert eventuell zu behäbig sein könnte und dies bereits den dunklen Hünen den Sieg gekostet hatte. Doch der Bär griff wieder zu dem gewaltigen Zweihänder. Kelor zuckte nur mit den Schultern und dachte sich 'Es ist Euer Kampf'.
Gespannt sah er dann auf den Richter und der Kampf hatte begonnen. Beide Kontrahenten umrundeten sich vorsichtig in der Mitte des Kampfbereichs. Der drahtige Mann hatte eine leicht gebückte Haltung angenommen und lies die beiden kurzen Schwerter auf den Handtellern kreisen, also ob sie dort befestigt wären – mal links, dann rechts herum. Dabei wippte er immer leicht nach vorn und zurück, ohne erkennbaren Rhythmus.
Der Bär hielt seinen Zweihänder fest in beiden Händen und die stumpfe Spitze ununterbrochen auf seinen Gegner gerichtet. Der Vorteil der Reichweite lag eindeutig bei Roderick, doch Kelor war sich nicht sicher, ob das reichen würde.
Der Bär versuchte es als erster. Er machte einen schnellen Schritt nach vorn und stieß sein Schwert dabei in Richtung seines Gegners. Doch dieser parierte mit beiden Klingen überkreuz und fing die Waffe des Bären so geschickt ab. Die Zuschauer johlten und es schien, als wären aller Augen nur auf sie gerichtet.
Dem folgte ein Vorstoß des Messerkämpfers. Mit kurzen, schnellen Attacken gelang es ihm das Schwert des Bären beiseite zu drängen und dann sofort, daran vorbei zu tauchen. Er schaffte es, den Abstand zwischen ihnen so zu verringern, um fast sogar in Schlagreichweite zu gelangen. Doch der Bär zeigte erneut, die – für einen Mann seiner Gestalt – unerwartete Geschwindigkeit, welche zuvor auch Kelor bereits überrascht hatte, indem er geschickt zurück sprang und so den vorherigen Abstand zwischen ihnen wieder herstellte. Ein anerkennendes Nicken des Messerkämpfers zeigte, dass auch er damit nicht gerechnet hatte und sein Lächeln deutete an, dass er wohl nicht noch einmal diesen Fehler machen würde.
Kelor hatte den Eindruck, als würde er einen merkwürdigen Tanz zweier Männer beobachten, die sich zu völlig verschiedenen Musiken bewegten. Trotzdem schien es, als würden beide Lieder dem selben Rhythmus folgen, denn jeder Schritt und jede Drehung wurden sofort verstanden und entsprechend beantwortet.
Doch bei einer Taktfolge kam der Freiherr schließlich ins Straucheln. Zu schnell war sein Gegner und hatte den Zweihänder, in einer schier unmöglichen Biegung des Rückens vorbei gleiten lassen, um danach ebenso plötzlich nach vorne zu schnellen und mehrere blitzartige Schnitte mit den eigenen Schwertern durchzubringen. Drei deutlich sichtbare Spuren waren danach auf dem dunklen Kettenhemd des Freiherren zu erkennen und wurden vom Richter angezeigt.
Der junge Gardist war sprachlos. Eine einzige, erfolgreiche Attacke hatte zu drei gültigen Treffern geführt. Sollte es dem Mann noch einmal gelingen, so nah an den Bären zu gelangen, wäre dieser Kampf mit Sicherheit vorbei.

Sonntag, 9. September 2012

3. Kapitel Teil 14 - "Dank mir ein andermal!"

Begleitet vom Jubel der Menge hörte man von den Kampfbereichen die laute Melodie der Klingen. Die Kämpfe wurden geführt, bis ein Recke aufgab oder zuerst fünf Treffer hinnehmen musste. Um Unklarheiten von vornherein zu unterbinden, waren die Schwerter mit einer klebrigen Farbe bedeckt, die man deutlich nach einem Treffer sehen konnte.
Und schneller als gedacht, waren alle fünf Male auf dem dunkelhäutigen Hünen zu finden. Flexibel wie ein Halm im Wind, wich dessen Gegenüber allen wuchtigen Schlägen geschickt aus und schaffte es, die benötigten Treffer in einem Bruchteil der Zeit zu setzen, die die anderen Kämpfe auf den Plätzen dauerten.
Mit gesenktem Kopf schlich der Verlierer vom Platz, so hatte Kelor den Eindruck, während sich der erste Sieger des Wettkampfs feiern ließ.
Dann war Freiherr Roderick an der Reihe. Während auf einem anderen Platz der letzte Kampf der ersten Runde noch immer ausgefochten wurde, betrat er die Arena. Kelor stellte sich, wie es der Bär verlangt hatte, außerhalb an eine Ecke und hielt da die beiden von Roderick gewählten Schwerter bereit. Auf der anderen Seite sprang agil und behände ein junger Mann über die Absperrung. Kelor hatte die Namen und Reihenfolge nicht mehr im Kopf und war davon ausgegangen, dass es sich bei dem Gegner des Bären um einen anderen Ritter handeln müsste. Doch sah dieser nicht so aus.
Er trug statt einer Rüstung oder Kettenhemd nur ein Gambeson - das wattierte Unterkleid. Seinen Helm hielt er unter dem Arm und stellte ihn kurzerhand hinter sich, auf der Holzumzäunung ab. Dort stand ebenfalls ein Adjutant bereit, der ihm ungeschickt das Langschwert reichte. Doch auch dieser schien, ähnlich Kelor, erst im letzten Moment von der Straße aufgelesen worden zu sein und hatte, mit viel gutem Willen vor kurzen vielleicht seinen zehnten Jahrestag hinter sich gebracht, so schätzte Kelor.
Der Mann kam wohl gelaunt auf den schwarzen Bären zu und sagte: „Mein guter Freund, ist Euch nicht warm in dieser dunklen Rüstung? Ich war so frei meine zurück zu lassen. Wenn ihr es wünscht, warte ich so lange, bis auch ihr die Eure abgelegt habt.“
Tatsächlich war der Freiherr deutlich besser gerüstet, als sein Gegenüber. So trug er ebenfalls ein Gambeson, doch mit geschwärztem Kettenhemd darüber und einen offenen Helm mit Nasenschutz. Der Bär drehte sich wortlos zu Kelor und griff nach dem größeren der beiden Schwerter. Doch etwas in seinem Blick, lies den jungen Gardisten Böses ahnen. Es war fast so etwas wie Zufriedenheit.
„Nun, wie Ihr meint. Ich meinte es ja nur gut. Es soll schließlich niemand wegen einem Hitzeschlag den nächsten Kampf verpassen. Besonders in Eurem Alter. Also, auf einen angenehmen Vergleich.“ Dann trat er zum Richter und der Bär folgte ihm.
Dort angelangt stellten sie sich in Kampfpose auf. Auf die Frage des Richters, ob sie bereit seien, nickten beide und der Kampf war frei.
In einem offensichtlichen Versuch den dynamischen Kampfstil des vorherigen Siegers zu kopieren, begann der junge Mann sich tänzelnd über den Kampfplatz zu bewegen. Der Bär drehte sich mit, doch blieb er ansonsten an seiner zuvor eingenommenen Position. Spielerisch schlug der Mann nach ihm, doch der Bär fegte hart, mit seinem viel größeren und mehr als doppelt so schweren Schwert, dessen Klinge zur Seite. Lauter Jubel brandete auf.
Kelor sah, wie der junge Mann inne hielt und das Schwert von der rechten in die linke wechselte, um dann seine scheinbar schmerzenden Finger mehrmals zu öffnen und zu schließen.
Offensichtlich nun mit mehr Respekt, wechselte er seine Waffe wieder zurück und nahm dann erneut Kampfhaltung ein. Doch dieses Mal unterließ er das unruhige Herumgehüpfe, nur besser wurde es nicht, wie Kelor erkannte. Erneut kam nur ein halbherziger Angriff, den der Bär wieder locker parierte, um dieses Mal zum Gegenschlag nachzusetzen. Statt zur Seite, hatte Roderick dieses Mal die Klinge nach unten getrieben, um dann, fast in derselben Bewegung weit auszuholen und sein eigenes Schwert mit voller Wucht, den Arm seines Gegners treffen zu lassen. Dieser heulte lauf auf und die Klinge flog in den Sand. Schmerzverzerrt hielt er seinen Arm, der in einem leicht unnatürlichen Winkel abstand und sah entsetzt erst auf den Arm, dann auf den Bären. Kelor war sich sicher, hätte es sich um ein geschärftes Schwert gehandelt, würde der Arm des Mannes nun neben seiner Klinge liegen.
„Ihr...Ihr habt mir den Arm gebrochen. Wie soll ich jetzt noch kämpfen?“
„Dank mir ein andermal!“, und damit ging der Freiherr wieder zu Kelor und reichte ihm sein Schwert. Der Richter zeigte mit erhobener Hand auf den Bären, um ihn offiziell als Sieger der Begegnung zu verkünden, dann gingen sie, vom Jubel begleitet, zurück zu ihrer Vorbereitungsecke.
„Musstet Ihr ihn denn auch noch verspotten?“, wagte Kelor zu fragen, als sie dort angekommen waren.
„Wieso verspotten? Es war mein Ernst. Er kam mit einem gebrochenen Arm davon, den er irgendwann vielleicht wieder benutzen kann. Aber er hätte genauso gut tot sein können.“
Darauf wusste Kelor nichts zu erwidern. Ganz unrecht hatte der Bär schließlich nicht, wenn er auch noch dessen Blick vor Augen hatte, als er ihm die Waffe reichte. Er hätte jede Wette darauf abgeschlossen, dass der Freiherr bereits just in diesem Moment seinen Gegner mit voller Absicht kampfuntauglich zurücklassen wollte.
Den nächsten Kampf bestritt wieder der dunkelhäutige Kämpfer gegen einen weiteren Ritter. Doch dieser machte seinem Titel alle Ehre. Großherr Fenton vom Orden der Aequilloten trug einen strahlend blauen Waffenrock über einem silbernen Kettenhemd mit dem Zeichen Aequillions darauf. Er war der erste Kämpfer, der dazu auch einen Schild trug, welcher in denselben Farben gehalten war.
Kelor war gespannt, ob sich der dunkle Hüne dieses Mal besser verkaufen würde.

Dienstag, 28. August 2012

3. Kapitel Teil 13 - „Die Spiele des Schwertes sind somit begonnen.“


Wie gewünscht zeigte der Richter ihnen den Platz, der in vier separate Kampfbereiche unterteilt war, die mit Holzumrandungen eingezäunt waren. Er führte sie zu den Vorbereitungsecken, in denen sich auch die Adjutanten während eines Kampf aufhalten würden und ließ dann den Bären die Turnierwaffen sehen.
„Was für 'ne Kuhpisse! Ich sollte eigentlich sofort meine Meldung zurückziehen.“ Der Freiherr warf das Schwert, das er gerade in Augenschein genommen hatte, wieder zurück auf den Tisch, wo die zur Verfügung stehenden Klingen ausgebreitet waren. Der Richter hatte zuvor versichert, dass für jeden Kämpfer etwas passendes dabei sein sollte und auf beiden Seiten je Kampfplatz exakt dieselben Klingen lägen. Tatsächlich befand Kelor die Auswahl auch mehr als reichlich. Er zählte fast an die zwanzig unterschiedliche Arten von Schwertern, die hier bereit lagen. Vom leichten Kurzschwert in gerader Form, zu einer Variante mit stark gebogener Klinge, sah er auch schmale Schwerter, wie sie die Gardisten trugen und große brachiale Waffen, die ihn schon mehr an Keulen, denn Schwerter denken ließen. Doch alle hatten eines gemeinsam - sie trugen keine richtige Spitze, waren stumpf, und extra für das Turnier angefertigt worden.
„Ihr in euren freien Städten, müsst euch immer etwas Eigenes ausdenken, statt es den Turnieren nach dem allgemeinen Kodex gleich zu tun. Vor was hat euer Rat denn Angst? Dass sich einer eurer bürgerlichen Recken aus Versehen und im Bierdunst, in ein Schwert stürzt und in der Arena verreckt?“, donnerte der Bär los.
„Es soll kein Blut fließen und die Verletzungen auf ein Minimum beschränkt werden.“, versuchte der Richter den Ratsentscheid zu entschuldigen.
„Ha, leg deine Hand auf den Tisch und ich zeige dir, wie sehr eure stumpfen Klingen dich diese behalten lassen.“
Darauf wusste der Richter auch keine Erwiderung und wirkte etwas gekränkt. Man sah ihm deutlich an, dass er bisher die Ratsentscheidung gut geheißen und kaum hinterfragt hatte.
Der Bär wartete auch nicht, bis dem Mann etwas eingefallen war, sondern ging schnaubend in Richtung der Vorbereitungsecken davon. Kelor wollte sich nicht wieder rufen lassen müssen und folgte dem Freiherren resigniert nach.
„Verletzungen beschränken. Pah. Ich werde den Idioten zeigen, was wirklich Verletzungen beschränkt. Das Teilnehmerfeld auf erfahrene Ritter und Kämpen reduzieren, das hätten sie tun sollen.“, tobte der schwarze Bär noch immer, als Kelor ihn erreichte.
Er hatte auch nicht ganz unrecht, wie Kelor wusste. Bei Turnieren nach dem Kodex brachte jeder Kämpe seine eigenen Waffen, die er gewohnt war und beherrschte. Größere Blessuren waren dabei überaus selten, was natürlich auch der Tatsache geschuldet war, dass nur Ritter, Knappen und wenige sonstige Ausnahmen teilnehmen durften. Jeder kannte die Regeln, zeigte eine gewisse ritterliche Ehre und übte den damit verbundenen Respekt und Rücksicht. Selbstverständlich lebte mancher die Ehre stärker als andere und der Bär war nicht gerade bekannt dafür, zu den besonders rücksichtsvollen Kämpfern zu gehören.
Kelor ahnte, dass die Besucher der Schwertarena recht ordentlich auf ihre Kosten kommen würden, wenn nichts geschah, was den Bären noch besänftigen würde.

Nachdem der Freiherr Kelor kurz und knapp erklärt hatte, was er von ihm während der Kämpfe und den dazwischen liegenden Pausen erwartete, hieß es warten. Von weiter weg, hörte man zwischenzeitlich auch leisen Jubel, durch die immer drückender, werdende Luft herüber schallen. Erste andere Kämpfer fanden sich ebenfalls nach und nach ein und bald füllten sich auch die Zuschauerränge.
Kelor hatte sich, als der Bär ihn losschickte, um kühles Dünnbier zu besorgen, auch mit den Wettkampfrunden vertraut gemacht. Es gab drei Kampftage an denen die jeweils zehn Besten, sich für den Finaltag qualifizieren konnten. Diese wurden in zehn Gruppenrunden ermittelt, in denen immer fünf Kämpfer, jeder gegen jeden kämpfte. Wer am Ende am meisten Einzelgefechte für sich verbuchen konnte, zog in den Finaltag ein.
Kelor, der nicht nur des Lesens, sondern auch der Grundrechenarten mächtig war, erkannte, dass es sich allein beim Schwertkampf um das wohl größte Turnier handeln musste, von dem er je gehört hatte. Er vermutete, dass es bei den anderen Wettkämpfen nicht ganz so einen Zulauf gegeben haben dürfte, zumindest was die klassischen Bewerbe, wie das Tjosten anging. Schließlich würden Reittiere kaum gleichfalls gestellt werden.
Kelor hatte auf dem Aushang ebenso gesehen, dass der Zeitplan für jede Gruppe etwa zwei Stunden vorgesehen hatte. Von daher sollte sein unfreiwilliger Knappendienst glücklicherweise nicht allzu lange dauern. Wenn er ehrlich war, spürte der junge Gardist in der Zwischenzeit, auch durchaus eine gewisse Spannung und Vorfreude auf das Geschehen. Er war überaus neugierig, wie sich der Freiherr schlagen würde. An Hand des Aushangs hatte er festgestellt, dass noch zwei weitere Ritter zu ihnen gelost worden waren und bei den beiden letzten, es sich den Namen nach, um Teilnehmer des gemeinen Volkes handeln musste.
Endlich waren die Tribünen voll und die Fahne, die alle paar Minuten etwas höher gehisst wurde, hatte nun fast das Ende des Masts erreicht. Jeder sah, dass es nun bald losgehen musste und der Lärmpegel schwoll immer mehr an. Als endlich die Fahne die letzte Elle hinauf gezogen wurde, erschallte lauter Jubel. Begleitet von einer Fanfare betrat der Richter des Spiels gemessenen Schrittes den Turnierplatz. Er wartete geduldig, bis sich der Trubel etwas gelegt hatte und verneigte sich dann in Richtung Haevons Tempel, vor der sich auch die Ehrentribüne befand. Kelor sah, dass Stadtoberster Goldwien scheinbar noch nicht eingetroffen war. Statt das Volk mit langen Reden zu langweilen, rief der Richter nur mit lauter Stimme: „Die Spiele des Schwertes sind somit begonnen.“ Unter erneutem lauten Jubel, verließ er danach wieder den Platz und weitere Richter in den weißen Wappenröcken der Stadt betraten die jeweiligen Kampfbereiche und riefen die ersten Kämpfer zu sich.
Freiherr Roderick sollte erst den zweiten Kampf bestreiten, womit Kelor sich völlig dem Geschehen in der Mitte widmen konnte. Er sah dort bereits in den ersten Paarungen sehr unterschiedliche Recken, was interessante Duelle bedeuten durfte. Ein bestens gewappneter Ritter stand einem ebensolchen Gegner gegenüber, während auf dem anderen Platz eine große Frau in Lederkleidung auf einen dünnen, hemdsärmeligen Jungspund traf. Auf dem dritten Platz stand ein altgedienter Soldat, in abgetragenem Rüstzeug recht verlassen herum und wartete scheinbar auf seinen noch nicht erschienen Gegner.
Aus ihrer eigenen Gruppe würden zwei ebenfalls viel versprechende Kämpfer das Turnier beginnen. Bei dem einen handelte es sich um einen ungeschlachten, dunkelhäutigen Mann in einfacher Lederrüstung, die bereits einige Schläge abgehalten haben musste, wie man an den Flicken und Ausbesserungen erkennen konnte. Auch die Narben auf den bloßen Armen des Hünen zeigten, dass er einige Hiebe nicht nur mit der Rüstung abgefangen hatte. Er hatte sich für eine Bastardklinge entschieden. Ein Schwert, das man sowohl ein- als auch beidhändig führen konnte.
Ihm gegenüber stand ein drahtiger Mann mit zwei kurzen Schwertern in Händen. Eine Rüstung schien er nicht für nötig zu erachten. Dann begann es.

Sonntag, 15. Juli 2012

3. Kapitel Teil 12 - Konfrontation mit der Vergangenheit


„Ihr seid zu früh.“, begrüßte sie ein älterer Mann in weißem Wappenrock, mit dem schlanken Turm der Stadt darauf. „Die Kämpfe beginnen erst nach der Eröffnung und auch dann werden wir noch etwas Zeit verstreichen lassen, damit die Zuschauer der Zeremonie es noch rechtzeitig her schaffen. Hat Euch Stadtoberster Goldwien hiervon nichts gesagt? Er selbst möchte den Schwertern heute ebenfalls beiwohnen.“
„Nein, das muss er wohl vergessen haben.“, erwiderte der Bär mit gepresster Stimme. Scheinbar musste er sich gerade etwas zusammennehmen. „Wie auch immer, ich bin jetzt hier. Zeig mir die Stätte und die Waffen, damit ich bereits meine Wahl treffen kann. Außerdem kannst du uns danach zu meinem Platz führen.“
'Uns?' Kelor dachte, er hätte sich vielleicht verhört. Er wollte eigentlich nur noch geduldig warten, bis der Freiherr ihn entlassen hatte, aber das schien nicht im Interesse des schwarzen Bären zu liegen.
Während der hier zuständige Richter des Spiels sie in die Mitte der Arena führte, versuchte Kelor noch einmal sein Glück: „Mein Hoch..., ich meine Herr. Mein Dienst...“
Der Freiherr blieb abrupt stehen und drehte sich zu Kelor: „Hör mir jetzt mal gut zu. Ich wiederhole mich nie und bei dir fange ich erst recht nicht damit an.
Mein Knappe ist in unserer Unterkunft, um dort mein Pferd zu versorgen. Mein weiterer Knappe ist heute morgen nicht aufgetaucht, was bedeutet, dass er irgendwo tot in der Gosse liegt, denn wenn er das nicht täte, würde ich ihn selbst dorthin verfrachten. Für die Kämpfe und das Drumherum benötigt es einen Adjutanten, wenn man sich nicht völlig lächerlich machen möchte. Wenn sich irgendwelche Bauern hier allein versuchen wollen, ist das ihre Sache, aber ich bin kein Bauer, oder hältst du mich etwa dafür?“ Seine Stimme hatte bei der letzten Frage an Schärfe gewonnen und Kelor beeilte sich, dies zu verneinen.
„Also, dann sind wir uns ja einig. Und wie es auf einem Turnier normalerweise abläuft, wirst du ja wohl hoffentlich nicht komplett durch diese beschissene Gardistenausbildung vergessen haben.“ Kelors Gedanken machten einen Sprung, was der Bär wohl in seinen Augen sehen konnte.
„Schau nicht so. Ja, ich kannte deinen Vater und auch dein Gesicht ist mir nicht völlig fremd, wenn es auch bereits ein paar Winter her sein dürfte, dass ich mit ihm an einem Tisch saß.“
Da geschah es also – das wovor Kelor schon die ganze Zeit Angst gehabt hatte. Die Konfrontation mit seiner Vergangenheit.

Kelors Vater, schon alt bei dessen Geburt, war ein einfacher Soldat gewesen, der durch reines Glück seinem König, in einer wenig ruhmreichen Schlacht das Leben rettete. Seine Heldentat jedoch hatte einen Preis und kostete ihn einen Arm, was auch des Königs Geschenk, zeitlebens nicht wieder wett machen konnte. Er erhielt von seiner Hoheit den Ritterschlag, sowie eine kleine Länderei, auf der er schließlich versauerte.
Kelor hatte von klein auf erlebt, dass eine Ritterschaft nicht nur Vorteile brachte, wie das einfache Landvolk oft annahm. Sie verschlang Unsummen an Gold, das irgendwie aufgebracht werden musste. Der kleine Landstrich, mit dem einen darin befindlichen Dorf, warf an Steuern gerade einmal genug ab, um die mit dem Titel verbundenen Kosten halbwegs zu decken. Ein Mann, der sein bisheriges Leben nur an der Waffe verbracht hatte, musste sich plötzlich mit Lehen und Grenzzwistigkeiten unter Bauern herumschlagen. Schon oft hatte sich Kelor bereits gefragt, ob er seinen Vater je wahrlich glücklich erlebt hatte, doch wenn es so war, hatte dieser es sich nicht anmerken lassen. Stattdessen war es Gleichgültigkeit und Verbitterung, die Kelor mit seinem Vater verband. Trotz dem hatte Sir Eklon seine Söhne auf jedes Turnier der Umgebung mitgeschleppt und die Abende bei Tisch, mit anderen Rittern und Kämpen, waren in Kelors Erinnerung die erträglichsten.
Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich ausgerechnet ein Ritter wie Sir Roderick an ihn erinnern könnte. Er wusste, dass er seinem Vater, unter seinen Brüdern, am ähnlichsten sah, aber der Platz ihrer Familie war stets am äußersten Ende der Tafeln gewesen.
Doch das lag schon einige Jahre zurück, so wie auch der Bär es richtig erkannt hatte. Als Sir Eklon immer stärker an der Schüttellähmung erkrankte, war ihm das Reisen nicht mehr möglich und seine Gemütsschwankungen wurden für Kelor immer unerträglicher. Als es dann besonders schlimm war, packte Kelor schließlich seine Sachen und machte sich davon. Weder seinen Brüdern, noch irgendjemandem sonst vertraute er sich an. Er schnürte nur ein kleines Bündel, nahm die wenigen Habseligkeiten, die ihm gehörten und auch etwas bedeuteten und lief davon. Er wollte wenigstens zehn volle Reisetage zwischen sich und sein Zuhause bringen, bevor er an ein Bleiben dachte. Am Ende wurden es sechzehn und nicht ein einziges Pferd, das sich ihm von hinten näherte, trug einen Diener seines Vaters oder einen seiner Brüder auf der Suche nach ihm. Kelor wusste nicht, ob er tief in sich glücklich oder betrübt hierüber war. Kosch jedoch, dem er seine Geschichte am letzten Abend, als erstem überhaupt erzählt hatte, hielt es für äußerst traurig und schien ihn auch irgendwie wütend zu machen. Ob es nur an etlichen Krügen Ale gelegen hatte, die dabei die Kehle des Zwergs hinab geflossen waren, konnte Kelor erst nicht einschätzen, denn er meinte gar feuchte Augen bei dem wackeren Felsenschmetter gesehen zu haben. Doch viel, was der Zwerg ihm im Anschluss über dessen eigenen Familienzusammenhalt und Clantreue erzählte, lies ihn Koschs Sichtweise dann besser verstehen. Weitere Gründe, die ihn das Volk der Zwerge in einem anderen Licht sehen ließen.

„Mein Herr, Ihr sagt, Ihr kanntet meinen Vater. Wollt ihr damit sagen...?“ Kelor hatte vor der Antwort plötzlich mehr Angst, als er sich zuvor je vorgestellt hatte, wenn er an das Unvermeidliche dachte.
„Was weiß ich, da du hier im Gardistenrock rumrennst, nehme ich das mal an. Wenn du es selbst aber nicht weißt, kann ich es dir auch nicht sagen. Jetzt aber genug geschwafelt. Arbeit wartet.“ Und damit schloss Sir Roderick wieder zu dem Richter in der Mitte der Arena auf, wo der geduldig auf den Freiherrn wartete.

Sonntag, 1. Juli 2012

3. Kapitel Teil 11 - Eine kurze Aufwartung


Eine angenehme Kühle lag in den weiter innen liegenden Gängen des Ratsgebäudes. Die Hitze des Morgens war noch nicht durch die dicken Mauern gedrungen und auf Grund der Ereignisse außerhalb, waren die Flure auch nur spärlich besucht. Die unteren Stockwerke, in denen sich die überwiegende Anzahl der Amtsstuben befanden, waren fast vollständig verwaist und man hörte nur die schweren Stiefel von Kelors Begleiter. Seine eigenen Schritte gingen dabei fast völlig unter. Er beeilte sich, den Freiherrn so schnell es ging, zu dessen Ziel zu führen. Die kühle Luft wäre zwar eine willkommene Abwechslung gewesen, doch er konnte sie so, nur schwerlich genießen.
Als sie sich dem Festsaal im obersten Stock näherten, hörte man von drinnen bereits entspanntes Lachen und gedämpfte Stimmen durch die Tür hindurch.
„Hier ist es Euer Hochwohlgeboren.“, Kelor wies auf die Tür, in der Hoffnung, dass er sich nun wieder entfernen könnte.
„Schön, dann mach schon auf und führ' mich hinein!“, kam stattdessen nur die harsche Anweisung.
Kelor überlegte kurz, ob er protestieren und auf seine aktuellen Befehle verweisen sollte, aber er ahnte, dass das den Bären kaum interessieren würde. Und eine entsprechende Reaktion wollte er sich gerne ersparen. Er öffnete also die Tür und tat, wie ihm geheißen.
Im Saal war es deutlich wärmer als auf den Fluren. Zum einen mochte das an den gut fünfzig Personen liegen, die sich hier befanden, wie auch an den mehreren, mannshohen Glastüren, die hinaus auf den langen Balkon führten. Der Raum selbst war in den Farben Weißenburgs und der umliegenden Adelsgeschlechter geschmückt, von denen wohl die meisten auch gerade persönlich zugegen waren. Mehrere Diener gingen umher und füllten die Kelche, der teilweise recht pompös gekleideten Gäste immer wieder auf. Dazwischen befand sich auch der ein oder andere Gerüstete mit Schwert und Waffenrock. Sogar ein paar Sänger und Musiker spielten zur Unterhaltung ihre Lieder in den verschiedenen Ecken des Saals, was zu einem recht wirren Durcheinander führte und wohl eine Art gespielten Wettstreit darstellen sollte.
Nachdem der Bär sich kurz umgesehen hatte, befahl er Kelor ihn zum Ratobersten Goldwien zu führen. Auch der junge Gardist musste sich erst gründlich umschauen, bevor er ihn in dem Treiben ausmachen konnte. Er verkniff sich ein Seufzen und trabte dann gehorsam los, während der Freiherr ihm folgte.
Der Ratsoberste strahlte über das ganze Gesicht als ob der Freiherr ein alter Freund von ihm wäre: „Ah, mein guter Roderick. Ob Ihr es glaubt oder nicht, aber wir sprachen just gerade über Euch und Euer fehlendes Erscheinen. Seine Durchlaucht hier,“ er zeigte auf einen untersetzten Mann neben ihm, „wollte schon eine Wette anbieten, dass Ihr bereits auf direktem Weg zur Schwertarena seid.“ Dabei lachten beide, als ob sie einen großartigen Witz gemacht hätten, was der Bär jedoch mit stoischer Ruhe hinnahm.
Als sie sich scheinbar endlich genug amüsiert hatten, entgegnete er jedoch trocken: „Nun, der Anstand gebietet es, dem Stadtherren meine Aufwartung zu machen. Dem kam ich hiermit nach.“ Schon im Abwenden, hielt er dann jedoch noch einmal inne. „Euren Gardisten nehme ich mir übrigens mit, um mich in diesen Drecksstraßen nicht wieder zu verlaufen.“
Kelor war über so viel Dreistigkeit fassungslos, doch die beiden Männer schien die Respektlosigkeit kaum zu stören. Sie lachten beide wieder lauthals los.
„Tut das, tut das.“, rief Goldwien ihm nach, dann lauter in die Menge: „Ich setze zwanzig Goldadler auf den schwarzen Bären mit dem Schwert.“
Kelor beeilte sich zu folgen. Als sie endlich in den Fluren wieder ungestört waren, nahm er sich zusammen und versuchte es nun doch, jedoch mit nur wenig Überzeugung in der Stimme: „Euer Hochwohlgeboren, ich möchte ungern unverschämt wirken, aber ich habe Befehle, die ich einzuhalten gedenke.“
„So? Gedenkst du das? Schenk dir das geschwollene Gehabe. Das passt nicht zu einem Gardisten. Auch den Hochwohlgeboren kannst du dir sonstwohin stecken Junge.“
Kelor war überrascht, doch der Bär sprach weiter: „Du hast deinen Stadtobersten gehört. Ich habe seine Zustimmung; und wenn er seine Wette nicht verlieren soll, nur weil ich zu meinem ersten Kampf zu spät komme, bringst du mich besser schnellstens dorthin.“
Dieses Mal konnte Kelor sein Seufzen nur schwer unterdrücken, aber so wie es aussah, hatte er wohl wieder keine andere Wahl.

Es war kein einfaches Unterfangen, zur Schwerarena zu gelangen. Das ganze Volk strömte gen Stadtmitte und der Platz lag etwas davon entfernt. Da der Schwertkampf jedoch in den Augen des Zeremonienmeisters zu den Publikumsmagneten zählte, befand sich die Arena nicht allzu weit entfernt. Kelor musste trotzdem einige Umwege wählen, bis sie endlich ihr Ziel erreicht hatten.
Ganz ähnlich der Arena der Kräfte, wo es dank Koschs tatkräftiger Mithilfe zu der großen Keilerei gekommen war, war auf dem Platz des Himmels eine ebensolche Holzkonstruktion errichtet worden. Der Tempel Haevons lag gleich dahinter. Alle vier Plätze der Götter würden zu Wettkampfstätten in den nächsten Tagen werden, in der Hoffnung, dass die Kämpfer dabei auch deren Gunst empfangen würden. Die jeweiligen Sieger würden somit auch zu den Champions der Götter ausgerufen werden. Ein Titel, den wohl so mancher gerne tragen wollte.
Nicht so Freiherr Roderick. Im ging es nicht um Titel, sein Ruf war auch so schon legendär. Ihm ging es um das Messen mit den anderen Kämpfern und eventuell ein paar davon für Bärenfels zu rekrutieren.

Sonntag, 17. Juni 2012

3. Kapitel Teil 10 - Unter Schock


Kosch schätzte das Alter auf vielleicht dreizehn Winter, er tat sich damit aber schon immer etwas schwer. Ihn dauerte jedoch, wie schwer gezeichnet dieser arme Junge, neben dem toten Körper des Mädchens in deren vergossenem Blut lag und leise, aber scheinbar noch immer apathisch schluchzte. Kosch versuchte es noch einmal mit ruhiger Stimme, doch er kam nicht durch. Vorsichtig griff er dem Jungen an die Schultern und wollte ihn sanft umdrehen, nachdem er seinen Hammer neben sich auf den Boden gelegt hatte. Erst bot er keinerlei Widerstand, doch als dessen Blick das Gesicht des Zwerges fand, stieß er einen schrillen Schrei aus und warf sich nach hinten. Kosch wurde davon überrascht. Er hatte zwar auf eine Reaktion gehofft, aber sicher nicht auf eine solche. Er versuchte das Bein des Jungen zu fassen, doch der robbte panisch rückwärts, bis er die Wand erreichte und dort verharrte.
„Narrengold und Hammerbruch. Ich will dir doch nur helfen.“, brummte Kosch. „Schau, der Mann ist tot.“ Doch der Blick des Jungen blieb auf ihn gerichtet und folgte nicht seiner ausgestreckten Hand, mit der er auf den leblosen Körper an der Wand zeigte. Kosch machte noch einmal einen Schritt auf den Jungen zu, doch dieser riss nur angsterfüllt die Augen auf.
Zu Koschs großer Erleichterung betrat in diesem Moment Gramil den Raum, zusammen mit Shaban, dem Mann mit der singenden Stimme, der Kosch hereingelassen hatte. Gramil hatte ihn geholt, nachdem sie eilig Kosch zum Zimmer Selinas geführt hatte.
„Oh nein, mein Täubchen.“ stieß Shaban erschrocken aus und hielt sich dann die Hand vor den Mund, während sich seine Augen mit Tränen füllten.
Gramil schien ebenfalls sehr erschrocken, doch fasste sie sich schneller wieder. „Kosch, geht es dir gut?“
„Jaaa, mir schon. Aber dem da nicht.“ und zeigte dabei auf Syrill.
Gramil, blickte sich um und sah jetzt erst Syl an der Wand kauern und wimmern.
„Oh, ich wusste doch gleich, dass es Ärger bedeuten würde, den Jungen herein zu tragen. Hätte sie doch nur auf mich gehört.“, jammerte Shaban, was ihm einen düsteren Blick von Kosch einbrachte.
Gramil, die sich erst noch versicherte, dass Selina tatsächlich keiner Hilfe mehr bedurfte, gab dann in gewohnter Weise Anweisungen. „Shaban, hör auf zu greinen und hilf Kosch mit dem Überzug da, Selina zu bedecken.“ Dann wandte sie sich Syrill zu.
„Hallo Kleiner. Hörst du mich?“ Sie kam einen Schritt auf ihn zu, doch er reagierte nicht. Also ging sie noch näher, bis sie sich vor ihn hin knien konnte.
„Kleiner?“ Sie führte ihre Hand vor seinen Augen von einer Seite zur anderen, doch er zeigte noch immer keine Regung.

Syrill war fern von allem, was gerade in dem Raum vor sich ging. Die Ereignisse der letzten Tage hatten ihn nun schlussendlich doch noch überfordert. Zwei Mal in kürzester Zeit, war er nur knapp seinem Ende entgangen. Menschen die er kannte, hatten dafür in seiner unmittelbaren Umgebung den Tod gefunden und er wusste noch immer nicht weswegen. Auch der Verbleib seines Bruders Mel und ihres Vaters war ihm unbekannt. Ging es ihnen gut? Gab es noch mehr Männer auf den Dächern?
Das Gesicht des Mannes kam ihm da wieder vor Augen, beziehungsweise zumindest dessen Blicke. Einmal die Teilnahmslosigkeit und Belustigung, als das Mädchen Selina durch ihn, ihren kaltblütigen Tod fand, sowie das merkwürdige Bedauern, als er schließlich mit der selben Absicht auf Syrill zukam.
Der Junge versuchte, die immer wieder aufsteigende Panik niederzuringen, doch sah er nur den Mann mit dem Messer auf sich zu gehen, während er den Geruch Selinas wahrnahm. Dieser zuvor so anregende Duft, der sich nun so penetrant mit den Ausdünstungen ihres Blutes vermischte. Syrill wurde schlecht. Dann blitzte plötzlich ein anderes Bild in seine Gedanken. Die furchterregende Vision eines Tiermenschen oder wie auch sonst gearteten Monsters, mit wildem rotem Fell und einem einzelnen gewaltigen Horn auf dem Kopf. Doch dieses Bild verblasste sofort wieder und er fand sich hilflos vor dem Mann mit dem Messer. Der Mann, dessen Augen plötzlich begannen leicht zu glimmen, wie kleine, längst erloschene Kohlestückchen, die der Wind aufs Neue entfachte. Mit der zunehmenden Intensität des Rots änderte sich auch das restliche Antlitz. Die Haut wurde aschfahl, die Nase schmal und raubvogelähnlich, ganz dem Schnabel eine Habichts gleich. Das Gesicht zeigte nun auch keinerlei Bedauern mehr, sondern nur ein unsagbar böses und überlegenes Lächeln.
Syrill hatte das Gefühl zu fallen, immer tiefer, bis ihn die bodenlose Schwärze schließlich verschluckte.

Das war jetzt eventuell nicht unbedingt der längste Teil, den ihr bisher von mir gelesen habt, aber der Cut passte an der Stelle einfach sehr gut. Der nächste Teil wird dann auch wieder länger. Versprochen.

Sonntag, 3. Juni 2012

3. Kapitel Teil 9 - Ein ungleicher Kampf

„Was, bei allen Felsenschluchten und Schmiedefeuern ist denn hier los?“, donnerte Kosch, bei dem Anblick, der sich ihm bot. Ein lebloser, Blut überströmter Körper am Boden, ein kleiner Junge, laut schluchzend daneben und ein Mann, der mit seinem feinen Messer bedrohlich davor stand.
Sofort sprang der Mann, der gerade über den Jungen gebeugt war zurück und nahm eine kampfbereite Haltung ein.
Kosch nahm lässig seinen gewaltigen Hammer von der Schulter und umgriff mit beiden Händen fest den umflochtenen Griff. „Das würd ich lassen an deiner Stelle. Könnt dir nicht bekommen.“ Dann trat er einen Schritt in das Zimmer.
Der Zwerg sah, wie es hinter den Augen des Mannes arbeitete. Dessen Fokus löste sich nur kurz von dem gerüsteten Kämpfer, in voller stachelübersäter Rüstung, um zu dem Jungen am Boden zu blicken, als würde er etwas abwägen. Kosch wusste natürlich nicht was hier vor sich gegangen war, aber die offensichtlichen Gegebenheiten sprachen für sich. Er schob sich näher an die beiden Körper am Boden und sprach: „He Kleiner, mach mal Platz und schau, dass du hinter mich kommst.“ Doch der Junge reagierte nicht und wimmerte nur weiter vor sich hin.
Der Mann, Kosch gegenüber, erkannte wohl, dass ihm hier seine weitere Beute streitig gemacht wurde. Er hechtete nach vorn, das Messer zum Angriff erhoben.
Doch Kosch war vorbereitet. Er hatte einen Angriff förmlich erwartet und mit nichts anderem gerechnet. Er musste auch nicht nachdenken, seine Reflexe übernahmen das Handeln schneller, als es jeder bewusste Gedanke hätte tun können.
Koschs Körper schnellte ebenfalls nach vorn, um vor den Jungen zu kommen. Seine obere Hand am Hammer glitt dabei weit nach vorn, um den Schwerpunkt zu überbrücken und seine Waffe schneller zu machen. Kurze Klingen waren in ihrer Geschwindigkeit seinem Hammer überlegen, dies musste er also so lange ausgleichen, bis er die größere Reichweite und verheerende Schlagkraft, tatsächlich effektiv einsetzen konnte.
Das Messer kam von oben, Koschs Hammerkopf von unten. Er traf den Arm des Mannes knapp unter dem Ellbogen und brachte ihn so aus der Bahn. Auch ohne den vollen Schwung, zeigte der harte Treffer Wirkung. Ein nur kurzer, überraschter Laut des Mannes quittierte das.
„Hab's doch gesagt. Das bekommt dir nicht!“, lautete Koschs Antwort, wie selbstverständlich.
Doch er überspielte damit auch seine eigene, leichte Überraschung, als er erkannte, dass die Attacke tatsächlich, wohl eher dem Jungen gegolten hatte, als ihm. Scheinbar war der Mann bestrebt, sein Werk, das er mit dem Mädchen am Boden begonnen hatte, schnellstmöglich zu vollenden. Dies kam Kosch nicht gerade entgegen, da er sich somit nicht völlig unbedarft in den Kampf stürzen konnte. Aber auch wenn er den Jungen nicht kannte, so war es jetzt seine feste Absicht, ihn vor dem Mann zu schützen. Doch die Position inmitten des Raumes half dabei nicht gerade.
„Juuunge. Tu mir einen Gefallen und beweg dich.“, versuchte es der Zwerg noch einmal, doch noch immer ohne Erfolg.
Koschs Gegner hielt sicheren Abstand, machte aber keine Anstalten, sich dem Ausgang zu nähern. Er rieb seinen Unterarm, wo ihn der Hammer getroffen hatte und zog dann, eine zweite Klinge hinter seinem Rücken hervor. Beide Messer lies er kurz demonstrativ in den Händen wirbeln, um sie dann, mit nach unten gerichteter Klinge stoppen zu lassen.
Koschs Hände griffen den Hammer fester und er stellte sich breitbeinig vor den Jungen, wie ein schwerer Fels, den man vor einen Höhleneingang schiebt.
Die Messer blitzen auf und stachen abwechselnd, aus allen möglichen Richtungen nach dem Zwerg, um eine Lücke in dessen Rüstung und Verteidigung zu finden, ohne dass der Mann selbst, ihm dabei richtig nahe kam. Kosch parierte, so gut es ihm möglich war. Doch ein erster Stich kam durch, um nur vom Stahl seiner Rüstung aufgehalten zu werden.
Die nächste Angriffsserie folgte. Die Messer tanzten, in aufeinander abgestimmten Bahnen, wobei der Mann immer schneller wurde. Wie ein Wagenrad, das einen Abhang hinab rollte, nahm er Geschwindigkeit auf.
Kosch hatte immer mehr Mühe den Stichen zu entgehen. Sein stachelbesetzte Rüstung schützte ihn zwar noch, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis eine der Klingen ihr Ziel fand. Er kannte das Ziel solcher Abfolgen. Es war wie das einstudierte Abklappern potentieller Schwachstellen. Noch war keiner der Angriffe mit voller Kraft geführt. Doch sobald ein Durchkommen gefunden war, würden sich die Hiebe dorthin konzentrieren.
Da - ein oberflächlicher, aber schmerzhafter Stich in der Seite, lies Kosch kurz zusammenzucken. Er sah das siegessichere Lächeln des Mannes, das ihm zeigte, dass der Treffer nicht unbemerkt geblieben war.
Kosch wollte sich gerade etwas weg drehen, als der Messerkämpfer dies scheinbar als Chance sah. Mit zwei, drei schwachen, aber mit unglaublicher Schnelligkeit geführten Angriffen zum Kopf, bereitete er den eigentlichen Stoß vor. Kosch sah ihn nicht kommen, aber er ahnte ihn. Und das genügte. Der Zwerg musste nur eine minimale Bewegung der Hüfte ausführen, um die Stacheln der Rüstung in einer leicht anderen Richtung abstehen zu lassen. Die verschiedenen Platten mit ihren Dornen und Spitzen waren genau dafür gedacht, ein immer anderes Geflecht zu bilden.
Das Messer ging fehl, rutschte ab und die Hand fand mit voller Wucht in die Stacheln. Der Mann jaulte vor Schmerz laut auf, als seine linke Hand von mehreren Dornen durchbohrt und wie festgepinnt wurde. Kosch drehte sich sofort um die eigene Achse und riss die zerschundene Hand so mit. Der Mann, der die ganze Zeit so viel Abstand gehalten hatte, wurde brutal an Kosch heran gezogen und weitere Stacheln in frisches Blut getränkt.
Der Zwerg wechselte abrupt die Richtung. Wie eine gespannte Feder spulte Kosch den Körper seines Gegners wieder von sich. Damit nicht genug, lies er den Hammer durch seine Hände rutschen und den Schwung aufnehmen, der nötig war. Seine Finger griffen, wie von selbst, den Knauf ganz am Ende des Griffs, um den schweren, eisernen Kopf in die richtige Bahn zu lenken. Gerade, als die wohl auch sonst, lebenslang unbrauchbar, gewordene Hand von den Stacheln rutschte, traf der Hammer mit voller Wucht und begleitet von einem, für ungewohnte Ohren, ekelhaftem Knacken und Schmatzen, in die Seite des Mannes. Für Kosch waren dies die befriedigenden Laute, die ein Ende des Kampfes anzeigten.
Der Zwerg schaute nicht einmal, ob sich der Mann, der weit an den Rand des Zimmers geschleudert worden war, noch einmal erhob, sondern wendete sich direkt, dem am Boden liegenden Jungen zu.

Montag, 14. Mai 2012

Verspätung

Leider kann ich den neuen Teil wohl erst im Laufe der Woche präsentieren. Ein paar private Termine haben den Zeitplan etwas verschoben. Ich bitte euch also um Nachsicht.

Sonntag, 29. April 2012

3. Kapitel Teil 8 - Tränen der Verzweiflung

Langsamen Schrittes kam der Mann auf Syl zu, die widerwärtige Klinge direkt auf ihn gerichtet.
Erneut überschlugen sich die Gedanken des Jungen, suchten fieberhaft nach einem Ausweg. Es gab nur das Bett, auf dem er sich befand und den tödlichen Mann direkt vor ihm. Alles außerhalb seiner Reichweite war wie ausgeblendet. Dann schärfte sich sein Denken. Was hatte Selina vorhin neben der Matratze gesucht? Vielleicht war dort eine Waffe versteckt, die sie unbemerkt versucht hatte, zu erreichen. An diesem Gedanken fraß er sich fest. So musste es sein. Ein Dolch oder gar ein Schwert. Damit würde er sich retten können, war Syrill plötzlich überzeugt.
Beim nächsten Schritt des Mannes warf er sich zum Fußende und griff zwischen Matratze und Bettgestell. Mit dem stechenden Schmerz in seiner Seite kam auch die Klarheit zurück. Selbst wenn dort ein Schwert versteckt wäre, hätte er sich wohl kaum erfolgreich damit zur Wehr setzen können. Seine ganze Erfahrung im Umgang mit Waffen beschränkte sich auf das Spiel mit Holzstöcken und seinem Bruder. Dabei war er zwar stets der Siegreiche, wenn er Melton nicht gerade gewinnen lies, doch das hier war etwas gänzlich anderes.
Er sah den Mann für den Bruchteil eines Moments in seiner Bewegung zögern, als Syls jäher Sprung diesen scheinbar überrascht hatte. Doch sofort änderte sich dessen Haltung. Statt der gelassenen und aufrechten Positur, nahm er urplötzlich eine geduckte und gespannte Haltung ein. Syrill tastete wie wild weiter, wenn sich die vorherige Zuversicht auch bereits zerstreute. Er wollte schon aufgeben, als er tatsächlich etwas fand. Er umfasste eine Art Griff und zog. Er zog mit all seiner Kraft, doch er konnte, was immer er in Händen hielt, nicht befreien oder losreißen. Voller Wut schrie er auf und zog erneut. Doch in dem Moment hatte der Mann offensichtlich genug und hechtete auf Syl zu. Der lies los und rollte zur Seite, als die Klinge des Mannes in die Matratze fuhr. Syrill fiel dabei herunter und landete auf dem Boden, was ihm erneut wilde Schmerzen einbrachte.
Dort auf dem Rücken liegend, sah er den Mann plötzlich über sich stehen. Syrill zog beide Beine an und trat mit aller Kraft in Richtung der Knie des Mannes. Doch dieses Mal hatte er kein Glück, als sein Gegner geschickt zur Seite sprang. Verzweifelt und hilflos robbte der Junge immer weiter zurück, während die Lippen des Mannes wieder ein hässliches Lächeln umspielte, als er sich erneut langsam näherte.
Da wurde Syrills Bewegung aufgehalten, als er rücklings gegen etwas stieß. Er drehte den Kopf und sah in die toten Augen Selinas. Er hatte den Eindruck, als würden die ihren auch in seine blicken, um ihn dort, wo immer sie gerade war, willkommen zu heißen.
Tränen trübten seinen Blick. Er wollte nicht sterben. Nicht hier, nicht so und nicht, ohne zu wissen, weswegen. Der Junge schluchzte verzweifelt auf und begann dann flehentlich zu weinen: „Bitte. Nicht. Ich hab doch nichts getan. Ich wollte Euch auch gar nicht dort sehen. Bitte. Ich weiß doch auch gar nicht wer Ihr seid. Ich wollte nur den Menschen dort helfen.“
„Ich weiß. Aber es ist so wie es ist.“ Syrill meinte tatsächlich so etwas wie Bedauern heraus zu hören. Kein Lächeln war dieses Mal zu sehen. Die Miene des Mannes war wie versteinert.
„Ich bin doch nur ein Junge.“, entfuhr es Syrill noch, dann überkam ihn ein fürchterlicher Heulkrampf, als sich der Mann mit der Klinge über ihn beugte und der Junge zusammenbrach.
Syl sah es nicht, nahm es auch kaum wahr, als plötzlich hinter ihm die Tür mit einem lauten Schlag aufgestoßen wurde. Der Mann mit dem Messer jedoch schon.
„Was, bei allen Felsenschluchten und Schmiedefeuern ist denn hier los?“, donnerte eine tiefe Stimme.

* * *

Kosch hatte es am gestrigen Abend vorsichtiger angehen lassen. Es zwickte ihn zwar, die zu seinem Widerwillen, doch recht angenehmen Erinnerungen an das kühle Bad, nicht in den Nebel des Vergessens getrunken zu haben, doch ein Kampf ist ein Kampf. Und gleich zwei im Rahmen des Wettkampfs standen heute für ihn an. Er hatte sich von Kelor noch die schnellsten Wege zu den verschiedenen Wettkampfstätten erklären lassen, die heute auf dem Plan standen und der junge Gardist hatte ihn am Ende sogar davon überzeugt, der Eröffnung fern zu bleiben. Der Weg von dort, zur Arena der Ringkämpfe wäre nach Meinung des Jungen zu lang und wahrscheinlich zu überfüllt gewesen. Kosch war sich sicher, dass dieser tattrige Stadtschreiber ihm mit Absicht einen so frühen Kampf zugeschanzt hatte. An eine faire Auslosung wollte er nicht so recht glauben.
Wie auch immer. Er konnte die Zeit auch anderweitig nutzen und so sehr hatte ihn das Geschwätz eines Ratsobersten nun auch nicht interessiert. Kosch hatte sich erinnert, dass er noch der Bitte eines Freundes nachkommen wollte, der eine Verwandte in Weißenburg hatte. Für sie hatte Kosch einen Brief mitgegeben bekommen. Er verstand zwar nicht, wie jemand vom Felsenvolk dauerhaft an solch einem Fleck leben konnte, aber wem gelang dies schon bei Frauen. So hatte er sich von Kelor also noch ein weiteres Ziel für diesen Tag beschreiben lassen.
Als er am heutigen Morgen vor den Türen des 'schweigsamen Gartens' stand, konnte er sich immer noch nicht so richtig erklären, weswegen der Junge so gefeixt hatte, als er erklärte, dass er dort, noch vor den Kämpfen etwas loswerden wollte.
„Du wirst schon wissen, wie du dich am besten auf einen Kampf einstimmst.“, hatte Kelor mit einem Schmunzeln nur gesagt.
Kosch war also wieder früh aufgebrochen, zum einen, um dem Gewühl zu entgehen und zum anderen, da er diesmal seine fast vollständige Ausrüstung mit sich führte. So klopfte er dann an. Es dauerte jedoch eine kleine Weile, bis sich etwas tat.
Ein Klappe in der Tür öffnete sich und ein rundes pausbäckiges Gesicht mit kleinen Schweinsäuglein musterte ihn.
„Wir haben noch geschlossen und öffnen heute auch erst nach der Ansprache. Sperrstunde, mein Herr. Unsere Vögelchen sind auch alle noch am schlafen oder bereits ausgeflogen. Bitte kommt also später wieder, dann finden wir mit Sicherheit auch etwas angemessenes für Euch.“ Dabei sprach der Mann auf eine merkwürdig singenden Art und Weise.
Die Klappe war schon fast wieder geschlossen, als Kosch schnell antwortete: „Halt, halt. Was will ich denn mit Vögeln? Ich suche Gramil vom Clan der Silberschmiede und habe einen Brief von ihrem Neffen für sie.“ Er fragte sich, ob er wirklich richtig war. Vögel und Gärten. Das passte so gar nicht zu jemandem seines Volkes.
„Gramil sagt Ihr? Nun, wenn dem so ist, dann kann ich Euch wohl einlassen.“

Ein süffiges Morgenbier war eine gute Entschädigung für den kleinen Schrecken, den er bekommen hatte, als er endlich erkannte, um was für ein Etablissement es sich beim schweigsamen Garten handelte. Nicht, dass es nicht auch bei seinem Volk Bordelle gegeben hätte, aber die hatten dann wenigstens eindeutigere Namen wie Lusthalle oder Freudenesse. Zwerginnen, die diesem Gewerbe nachgingen, waren zwar nicht unbedingt schlecht angesehen, aber man rühmte sich auch nicht dafür. Da ihn sein Freund nicht extra vorgewarnt hatte, war sich Kosch recht sicher, dass auch dieser keine Ahnung hatte, um was für ein Haus es sich hier handelte und er wollte es ihm ungern sagen müssen.
„Nein, nein. Ich gehöre nicht zu den käuflichen Mädchen. Ich bin so etwas, wie die Hausmutter hier.“ Sie schenkte ihm gerade noch mal nach, als sie sich in einem der privaten Räume des Anwesens unterhielten. Kosch blies den Schaum vom Rand seines Krugs herunter und fragte: „Hausmutter?“
„Naja, ich kümmere mich um die Mädchen. Bin für sie da, wenn sie Probleme haben. Koche, bessere ihre Kleidung aus und schau eben nach dem Rechten.“ Kosch nickte verstehend. Wahrscheinlich konnte er doch mit seinem Freund über ihren Arbeitsplatz sprechen.
„Aber jetzt sag, lieber Kosch, was geht in Siegenheim so vor sich.“
Er wollte gerade ansetzen zu erzählen, als ihn ein lautes Klingeln unterbrach. „Was'n das für n' Krach?“
Gramils Stimme klang erschrocken: „Das ist der Zimmeralarm eines der Mädchen.“

Sonntag, 15. April 2012

3. Kapitel Teil 7 - Blut am Boden

„Rein da! Setz dich zu dem Jungen und sei still!“ Der schneidende Ton, mit dem der Mann sprach, zeigte deutlich, dass das Mädchen besser seiner Aufforderung nachkam und das Messer in der Hand, das Syrill jetzt sehen konnte, unterstrich dies noch. Der Mann schloss schnell die Tür des Zimmers und hielt dann sein Ohr daran.
„Es ist sonst niemand...“, wollte Selina gerade ansetzen, als der Mann mit wütendem Blick herumfuhr und eine Hand, zur Stille mahnend hoch schnellen lies.
Selina verstummte, rappelte sich dann auf und setzte sich, wie befohlen neben Syrill auf das Bett.
Der Mann legte noch einmal sein Ohr an die Tür und verharrte so mehrere Atemzüge. Er war nicht wirklich groß, wie Syrill nun sah, aber auch nicht besonders klein. Sein braunes Haar trug er so kurz geschnitten, dass es gerade eben, nicht von alleine stand. Mit einfachen, braunen Hosen in einem groben Stoff und einem leinenen, weit geschnittenen Hemd, das von einem schmalen kurzen Gürtel zusammengehalten wurde, war der Mann so gekleidet, dass er ebenso auf einem Hof hätte arbeiten können, wie er auch in eine Abdeckerei gepasst hätte. Ein einfacher Sack, den er schräg über den Rücken trug und dessen Trageriemen vorne über die Brust ging, war neben dem Messer scheinbar alles, was er im Moment bei sich hatte. Das Blasrohr konnte Syrill jedenfalls nicht mehr entdecken.
Syl sah auch kurz zu Selina, die nun still neben ihm saß und ohne Unterlass den Mann beobachtete, während ihre Hand möglichst unauffällig, scheinbar nach irgendetwas zwischen Matratze und Bettgestell tastete. Doch der Mann hatte wohl lange genug lauschend verbracht und drehte sich nun zu ihnen um.
„Wenn ich sage, du sollst dein dreckiges Maul halten, dann tust du das.“, sprach er in ruhigem Ton zu Selina. „Wenn ich dir sage, du sollst dich setzen, dann tust du das auch und wenn ich dir Fragen stelle - und nur dann, beantwortest du sie.“
Syrill fühlte sich in dem Moment, als ob er Luft für den Mann wäre. Dieser sah in weder an, noch hatte er den Eindruck, dass die Worte auch an ihn gerichtet gewesen seien, wenn sich Syrill auch sicher war, dass es besser wäre, ihnen trotzdem nachzukommen. Das entspannte die Situation jedoch, in keinster Weise, für den Jungen.
„Also Mädchen, mit etwas Glück, kann das Ganze hier noch gut für dich ausgehen. Wenn du mich nicht anlügst, kannst du heute Abend schon für den nächsten die Beine breit machen. Wenn nicht, kann es sein, dass du nur noch dem Geschmack von wirklich wenigen Gästen entsprechen wirst.“ Dabei lies er das dünne, lange Messer elegant und leicht über seine Finger tanzen, was Syrill eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Was wolltest du vorhin also sagen? Es ist niemand mehr...?“
Selina schien kurz zu zögern, dann antwortete sie: „Es ist niemand mehr da. Wir sind allein.“ Als der Mann eine Augenbraue hob und den Kopf leicht schief legte, fügte sie noch schnell hinzu: „In diesem Teil des Gebäudes. Wir sind hier allein.“
„Ah, eine gute Antwort. Ich sehe, du hast mich verstanden.“, nickte der Mann zustimmend und Syrill sah klar vor seinem geistigen Auge, wie der Mann sich – wohl wissend, dass sie eben nicht völlig allein waren – eine Lüge Selinas, mit einem Ohr oder ihrer Nase hätte bezahlen lassen.
„Was hat der Bengel dir erzählt?“
Syrill hoffte um Selinas Willen, dass sie nun nichts Falsches sagte, denn für sich selbst hatte er diese bereits aufgegeben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass auch er die Chance bekäme, nur Fragen beantworten zu müssen.
„Nichts, er hat mir gar nichts erzählt.“, erwiderte das Mädchen zaghaft.
Der Mann kam bedrohlich einen Schritt näher. „Wo wolltest du dann so schnell hin, als du mir in die Arme liefst? Warum hattest du es so eilig?“
„Er... der Junge war aufgewacht. Und unsere alte Gramil sagte, dass ich sie sofort holen solle, wenn das geschieht.“ Der Mann zog nur wieder eine Augenbraue hoch und Selina sprach sofort weiter. „Die alte Gramil ist unser guter Hausgeist. Sie putzt, wäscht und kennt sich auch mit allerlei Verletzungen aus. Sie hatte seine Wunden bereits mit Salbe und den Verbänden versorgt.“
Syrill war überrascht, wie scheinbar mühelos, ihr ihre Geschichte über die Lippen kam, wo sie ihm doch eben erst die Verbände selbst angelegt hatte.
„Nun gut Mädchen, dann geh und hol deine Alte mal her.“
Selina wirkte irritiert. „Wirklich? Ich meine... warum?“
„Sollst du Fragen stellen, oder einfach tun was ich sage?“ Der Ton des Mannes hatte wieder diese Schärfe, die keinen Widerspruch duldete.
Sie stand auf, schaute noch einmal traurig zu Syrill und ging dann langsam Richtung Tür. Er sah in ihren Augen, dass sie nicht erwartete, ihn noch einmal lebend zu sehen, wenn sie jetzt ging. Doch was dann kam, überraschte sie beide.
Selina hatte gerade den Mann passiert, als dieser plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung einmal hart zustach. Syrill schrie auf, aber da sackte das Mädchen bereits still zusammen. Ein hässlicher, roter Fleck breitete sich schnell, von der Mitte ihres unteren Rückens auf dem Stoff und ihrem Körper aus. Syrill sah das schöne Mädchen - wie verlangsamt und einem Déjà-vu gleich - zu Boden gehen und dort hart mit dem Kopf aufschlagen. Ihr linkes Bein zuckte noch kurz, dann bewegte sie sich nicht mehr - nur noch ihr Blut quoll auf den schmalen hellen Teppich, der dort lag.
„Zu schade. Mit ihr hätte man sicher einigen Spaß haben können.“ Fast klang es wie echtes Bedauern, wenn Syrill nicht so ein boshaftes Lächeln die Lippen des Mannes umspielen gesehen hätte.
„So, mein Kleiner. Nun zu uns beiden.“ Langsamen Schrittes kam der Mann auf Syl zu.

Dienstag, 10. April 2012

Zwischenmeldung

Sorry für die Verspätung, aber Ostern hat mir einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht. Da ich mich mit meiner Familie, im Norden bei den Schwiegereltern aufgehalten habe und unser "Großer" eine richtig fiese Mandelentzündung, mit allem drum und dran, bekommen hat, hat es leider noch nicht geklappt.
Aber nächsten Sonntag ist der neue Teil fest eingeplant. Ich hoffe Ihr habt bis dahin noch ein Nachsehen.

Sonntag, 25. März 2012

3. Kapitel Teil 6 - Selina

„...auf...wach auf Kleiner.“
Sein Kopf dröhnte. Syrill öffnete die Augen einen schmalen Spalt und sah dicht vor sich, die verschwommenen Umrisse eines schmalen Gesichts, das von langen, dunklen Haaren eingerahmt war. Dann schlossen sich sich, wie von alleine, wieder.
„He, nicht wieder einschlafen.“ Er spürte eine weiche Hand an seiner Wange, die ihn leicht tätschelte. Der Junge fand erneut die Kraft und den Willen die hämmernden Kopfschmerzen zu verdrängen und seine Augen zu öffnen. Er lag scheinbar in einem weichen Bett und eine junge Frau saß bei ihm. Als sich sein Blick etwas klärte, konnte er sehen, dass er sich in einem kleinen Zimmer befand, durch dessen schwere Vorhänge nur mäßig Licht herein drang. Er wollte sich etwas aufrichten, aber dann kam sofort wieder der Schmerz in seiner Seite. Mit einem gepressten Stöhnen lies er sich zurück sinken.
„Ganz ruhig. Nichts überstürzen. Dass du wach bist, ist schon mal ein guter Anfang.“ Er spürte, wie sich die Matratze leicht hob, als die Frau aufstand und zum Fenster schritt. Dann strömte Licht herein und er konnte etwas mehr von seiner Umgebung erkennen.
Das Zimmer war recht übersichtlich eingerichtet. Außer dem Bett, auf dem er lag, konnte er nur einen, mit verspielten Schnitzereien gestalteten Schrank, eine ebensolche metallene Badewanne und eine einfache Garderobe neben einem hohen Paravan erkennen. Die Wände waren in einem cremefarbenen Ton gehalten und zeigten aufwändige Stuckarbeiten an den Übergängen zur Decke.
Die junge Frau trat erneut zu Syrill und er konnte sie zum ersten Mal genauer betrachten. Sie hatte tatsächlich dunkles, fast schwarzes Haar, dass ihr ihr in langen, seidigen Locken herab fiel. Ihr ebenmäßiges Gesicht war so bezaubernd , wie ihr restlicher, schlanker Körper, der sich unter dem dünnen Stoff, ihres fast durchsichtigen Kleides, deutlich abzeichnete. Das zarte Hellgrün, das sie trug, unterstrich ihre alabasterfarbene Haut und das klare Blau ihrer Augen.
Bei ihrem atemberaubenden Anblick und ihrer anmutigen, wie auch völlig natürlich wirkenden Art sich zu bewegen, hätte Syrill fast vergessen, wie er hier überhaupt hergekommen war. Dann fiel ihm auf, dass er es tatsächlich nicht wusste.
Er wusste natürlich noch von seinem Sturz und dem Mann auf dem Dach, aber der Rest war ihm unklar.
„Wie komme ich hierher?“, fragte Syrill frei heraus. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er von dieser Frau, mit ihrem zierlichen Körper, irgendwie hierher gebracht worden sein könnte.
„Sag du es mir.“ Sie setzte sich wieder an den Rand des Bettes neben ihn und er konnte deutlich den betörenden Duft, ihres Parfüms wahrnehmen. Sanft legte sie ihre Hand auf seine Stirn, wohl um zu sehen, ob er Fieber hatte und der Junge konnte dabei deutlich die dunkle Knospe ihres Busens erkennen, die sich unter dem Stoff sanft erhob. Syl zog die dünne Decke, die ihn bis zur Hüfte bedeckte, etwas höher und winkelte die Beine leicht an, um seine erwachende, jugendliche Erregtheit zu verbergen.
„Wir fanden dich in unserem Garten, wo du scheinbar vom Himmel, oder wahrscheinlich eher vom Dach, gefallen warst und Shaban trug dich herein.“ Sie lächelte ihn dabei freundlich an.
Syrill verstand nun etwas besser. Er war scheinbar noch in dem imposanten Anwesen, dessen innen gelegenes Sonnendach er dummerweise als letzte Rettung gewählt hatte und das ihn so schändlich betrogen hatte. Einerseits beruhigte ihn das, da er so nicht allzu weit von der Straße entfernt sein konnte, wo sich sein Vater und Mel - hoffentlich noch unversehrt - befanden, aber dann fiel ihm ein, dass damit auch der unscheinbare Mann mit dem Blasrohr noch in der Nähe sein könnte."
„Also entweder, du wolltest die Sperrstunde der Ansprache dazu nutzen, dich hier umzusehen, in der Hoffnung, dass alle ausgeflogen wären, oder du wusstest nichts von der Sperrstunde und wolltest einfach nur spannen. Ich weiß aber nicht, was dich davon sympathischer erscheinen lassen könnte.
Syrill verstand nicht. Von einer Sperrstunde wusste er tatsächlich nichts und gespannt hatte er auch noch nie.
Scheinbar erkannte sein Gegenüber seine Verwirrung: „Na gut, vielleicht sagst du mir zuerst einmal, wie du heißt und wie es dir überhaupt geht. Ich bin zwar keine Heilerin, aber kenne mich trotzdem etwas mit dem menschlichen Körper aus. Danach kannst du mir deine Geschichte erzählen und wie es zu deinem Sturz kam.“
Und Syrill erzählte in knappen Worten, während Selina – so hieß seine aufmerksame Zuhörerin – ihm die geprellten und schmerzenden Stellen mit Verbandszeug und einer Salbe behandelte, die sofort etwas kühlende Linderung brachte.
„Hmm, hier bin ich mir nicht so sicher. Das sollte sich noch mal ein gelehrter Heiler ansehen. Es bildet sich bereits ein recht hässlicher, dunkler Fleck.“, musste Selina jedoch eingestehen, als sie seinen verletzten Rippenbogen an der rechten Seite betrachtete. Sie bestrich die Stelle trotzdem behutsam mit der Salbe und krempelte dann sein Hemd wieder herunter.
Syrill erzählte weiter Von ihrer Schautstellertruppe, ihrem Weg zur Ansprache, der überfüllten Straße und den niedergetrampelten Menschen. Hier stellte sich heraus, dass sie sich scheinbar, in einem hinteren Teil des Anwesens befanden, der Straße abgewandt und das Mädchen bisher von den Tumulten noch gar nichts mitbekommen hatte.
„Aber habt ihr denn nichts gehört, als ihr mich gefunden habt?“, fragte Syrill überrascht.
„Unser Garten ist so angelegt, dass kaum ein Laut nach draußen dringt und andersherum ebensowenig. Niemand unserer Gäste soll gestört, aber natürlich noch weniger vernommen werden, wenn sie sich gehen lassen wollen.“
Syrill wurde leicht rot, als er endlich erkannte, um was für ein Anwesen es sich handelte und welchem Gewerbe somit, wohl auch Selina nachging. In seiner jugendlich unschuldigen Naivität empfand er sie, als viel zu hübsch und zu perfekt, als dass er sich vorstellen wollte, wie jemand bezahlen konnte, um sie - wenn auch nur kurz - besitzen zu dürfen.
Selina riss ihn jedoch wieder aus diesen Gedanken und drängte zu erfahren, was dann geschehen war. Als der Junge es ihr erzählte, sprang sie erschrocken auf.
„Ich muss sofort Shaban Bescheid geben. Warte einfach hier, ich bin gleich wieder da!“, und damit war sie auch schon aus der Tür.
Syrill blieb überrascht zurück. Er wusste nicht, ob Selina auf Grund des Mannes oder der Vorgänge auf der Straße so hastig reagierte. Aber irgendwie hoffte er auf beides. Vorsichtig betastete er dann erneut seinen Brustkorb, der bei jeder Berührung noch immer schmerzte. Er stellte jedoch fest, dass ihm das tiefe Atmen wieder leichter fiel. Dafür befiel ihn, so allein, auch wieder die Sorge um seine Familie. Er fragte sich, wie lange er wohl ohne Bewusstsein gewesen war und was in der Zwischenzeit auf den Straßen vor sich gegangen sein mochte. Er hoffte inständig, dass Selina bald zurück käme und dieser Shaban tatsächlich irgendwie helfen könnte.
Testweise schwang Syrill die Beine über den Rand des Bettes und versuchte sich aufzurichten. Zwar noch immer mit pochendem Schädel und einem kurzen Stich in der Seite, gelang es ihm dann aber, sich aufzusetzen. In dem Moment öffnete sich auch wieder die Tür und Selina kam zurück. Wie erhofft war sie nicht allein, aber zu Syrills Entsetzen war es nicht Shaban, der ihn vorher noch herein getragen haben sollte. Mit festem Griff hatte der Mann vom Dach das Mädchen am Arm gepackt und stieß sie dann brutal ins Zimmer.

Sonntag, 11. März 2012

3. Kapitel Teil 5 - Der schwarze Bär

Die Menge war atemberaubend. Kelor stand mit ungläubigen Augen, auf seinem Posten am großen Platz und staunte. Er hatte noch nie so viele Menschen an einem Fleck gesehen. Hätte er die Anzahl der Besucher benennen müssen, so war er sich sicher, keinen Wert zu kennen, der hierfür groß genug gewesen wäre.
Es war ausnahmsweise einmal eine simple Aufgabe, die ihm zusammen mit einem noch recht betrunkenen Kameraden aufgetragen worden war. Zumindest empfand der junge Gardist selbst es so. Sie hatten einfach nur einen Seiteneingang des Ratsherrenhauses zu bewachen und dafür Sorge zu tragen, dass niemand Unwichtiges die Vorbereitungen und das anschließend stattfindende Geschehen störte. Sein Wachbruder schlief währenddessen an die Wand gelehnt halb im Stehen seinen Rausch weiter aus.
Ratsoberster Goldwien würde schon bald vom Balkon des zentral liegenden Gebäudes, seine Festrede halten und die Feierlichkeiten offiziell eröffnen. Schon eine Stunde später würden die ersten Wettkämpfe beginnen und in fünf Tagen sollten die Champions gekürt werden.
So sehr ihm das Fest auf den Straßen bisher auch gefiel, so konnte es Kelor doch kaum erwarten, wenn hier endlich wieder Ruhe einkehrte. Der eigentliche Trubel war dabei nicht das Störende für ihn und er genoss es sogar, wenn das einfache Volk sich dem Spaß hin gab. Viele Möglichkeiten zu einer solchen Ausgelassenheit hatten die meisten Bürger, die ihren Lebensunterhalt mit schwerster Arbeit bestritten, auch nicht gerade.
Was Kelor jedoch tatsächlich störte, waren die viel zu vielen 'hohen Gäste'. Auch jetzt waren solche in just dem Gebäude, dessen Eingang er vor 'ungebetenen' Besuchern bewahren sollte. Unmittelbar nach der Eröffnung würde hier ein erlesenes Bankett stattfinden. Scheinbar jeder, der irgendeinen namhaften Titel trug, oder genug Geld und somit Einfluss besaß, hatte sich auf den Weg nach Weißenburg gemacht. Kelor hatte sich in den letzten Tagen des Öfteren gefragt, ob mit einem Titel bei den Meisten, vielleicht wirklich unwillkürlich ein goldener Stecken im Arsch verbunden war – wie es unter den Gemeinen so schön hieß. Es hatte für ihn schon immer den Anschein, als ob das Gebaren, umso herablassender wurde, je höher der Stand war. Es überraschte ihn daher auch nicht, dass viele der Edelleute die Person ihnen gegenüber, gar nicht mehr wahrnahmen, sondern nur die Funktion und den darin enthaltenen Nutzen sahen. Eigentlich war er derzeit, sogar darum dankbar. Es hätte wohl auch einige unangenehme Auswirkungen gehabt, wenn er hier auf seine Vergangenheit angesprochen worden wäre. Kelors Stand unter seinen Kameraden war jetzt schon, als Frischling nicht der Beste. Auf weitere Komplikationen konnte er also verzichten. Nur eine ältere Baronin hatte ihn merkwürdig beäugt, als ob sie ihn kennen würde, doch am Ende machte es keinen Unterschied. Er trug die Uniform einer einfachen Stadtwache Weißenburgs und war somit weit unter ihrem Umgang.
Die Gäste waren nun schon vor einer kleinen Weile eingetroffen. Bei der Menge auf dem Platz, war es wohl auch eine weise Entscheidung, die Eingeladenen so früh her gebeten zu haben. Hier war zwar noch ein Durchkommen möglich, aber Kelor wollte nicht wissen, wie es auf den engeren Straßen der Stadt zuging. Doch nicht nur Personen von hohem Stand war die Ehre einer Einladung zuteil geworden, auch ein paar besondere Athleten waren zugegen. Champions von anderen Wettkämpfen, die zwar keine offiziellen Titel trugen, aber doch einen gewissen Ruhm erlangt hatten, wie auch ein paar kampferfahrene Soldaten, die von ihren jeweiligen Lehnsherren mitgebracht worden waren. Kelor vermutete, dass das ganze in einer Art Fleischbeschau enden würde, damit die hohen Damen und Herren ihre Wetten besser platzieren konnten.
„He, Wache. Öffne mir die Tür.“ Kelor drehte sich zu der barschen Stimme um. Ein großer Mann mit tiefschwarzem, öligem Haar und einem eben solchen Vollbart stand Kelor gegenüber. Der Mann überragte ihn um einen guten Kopf und trug eine tiefe Narbe auf der linken Gesichtshälfte, die von seinem Bart ausgespart blieb. Kelor vermutete, dass, was immer ihn dort getroffen hatte, die Wange komplett gespalten haben musste. Auch bei seiner Kleidung überwog die Farbe Schwarz in verschiedenen Nuancen. Goldene Stickereien auf seinem Wams boten den einzigen, wirklichen Kontrast und stellten einen doppelköpfigen Bären dar. Kelor kannte das Wappen und auch ohne dieses, hätte er wahrscheinlich erkannt, wer hier vor ihm stand. Der Ruf des Herren von Burg Bärenfels war legendär und seine Taten gleichermaßen ruhmreich, wie ruchlos. Auf dem Schlachtfeld ohne jede Gnade und stets siegreich, ging er ebenso im Bett zu Werke. Sein letztes, armes Eheweib sollte erst vor kurzem den Freitod durch einen Sprung vom Burgturm gewählt haben. Hatte ihre Ehe vielleicht auch ohne ihre Zustimmung begonnen, so war wenigstens deren Ende ihre eigene Entscheidung gewesen. Dies konnte nicht jede ihrer Vorgängerinnen von sich behaupten. So sangen es zumindest die Barden und Bänkelsänger in den Tavernen und auf den Straßen.
Kelor wusste darüber hinaus, dass Burg Bärenfels mit seinen Mannen als uneinnehmbar galt und als Bollwerk gegen die wilden Bergstämme und Riesen diente. Wer über den Pass aus dem Wolkengebirge im Nordwesten ins Tal wollte, musste die Burg passieren und dort seinen Wegzoll entrichten. Einen anderen Weg hinab gab es nicht, lies man die steilen Berghänge außer Acht. Dieser weit von jeglicher, weiteren Gerichtsbarkeit, abgeschlagene Standort war wohl mit ein Grund, weswegen sein Freiherr tun und lassen konnte, wie es ihm gefiel.
„Wer seid ihr, dass ihr hier so unverschämt Einlass begehrt?“, Kelor erschrak zutiefst bei dieser Frage seines Mitwachenden, den die Aufforderung des schwarzen Bären wohl geweckt hatte. Der Alkohol der letzten Nacht sprach eindeutig noch aus diesem, denn selbst ohne zu wissen, wer vor ihnen stand, hätte auf Grund der edlen Gewandung doch klar sein müssen, dass es sich nicht um jemanden Unwichtiges handelte.
Mit einer überraschenden Geschwindigkeit für einen so großen und breit gebauten Mann, griff der Bär brutal nach der Kehle des Gardisten und presste ihn an die Wand des Ratsgebäudes.
„Du kannst von Glück reden, dass ich meinen Felsenreißer zusammen mit meinem Pferd und meinem Knappen in diesen überfüllten Drecksstraßen zurück schicken musste. Sonst hätte ich dich jetzt deine eigenen Gedärme fressen lassen.“
Kelors Kamerad nahm dabei bereits eine gefährlich rote Gesichtsfarbe an.
„Entschuldigt bitte die Unwissenheit und Unachtsamkeit meines Wachgefährten Euer Hochwohlgeboren. Selbstverständlich ist dem Herren von Bärenfels sofort die Tür zu öffnen.“, beeilte sich Kelor zu sagen und war bereits dabei, dem nachzukommen.
Der schwarze Bär lies von dem armen Wachmann ab und dieser sank röchelnd, an der Wand zu Boden.
„Du kommst mit und bringst mich dahin, wo ich denke, dass die anderen hohen Herrschaften bereits am Fressen und Saufen sind!“, befahl der Freiherr im Vorbeigehen Kelor.
Dieser schaute noch einmal auf seinen Kameraden, der noch immer röchelnd am Boden lag.
„Wenn du dich nicht zu ihm gesellen willst, tust du besser was ich sage!“ Die Drohung war nicht nur den Worten zu entnehmen. Der am Boden liegende Gardist machte eine abwinkende Handbewegung und versuchte dann wieder auf die Beine zu kommen. Kelor nickte ihm zu und beeilte sich dann, den schwarzen Bären zu seinem Ziel zu bringen.

* * *

Sonntag, 26. Februar 2012

3. Kapitel Teil 4 - Flucht in die Tiefe

In recht unscheinbare Gewänder gekleidet und von ebensolcher Statur, schien es sich um einen Mann zu handeln, wie Syrill bei genauerer Betrachtung feststellte. Was dieser dort allerdings gerade tat, war dem Jungen schleierhaft. Er überlegte, ob er sich bemerkbar machen sollte, doch das Verhalten des Mannes schien ihm doch zu merkwürdig. Es wirkte, als würde dieser schon länger dort am Dachfirst liegen und dabei bestrebt sein, nicht von der Straße aus, gesehen zu werden. Syrill überlegte – um an die Lampionketten heran zu kommen, musste er das Dach überqueren und dabei zwangsläufig die Aufmerksamkeit des seltsamen Mannes erregen. Er wollte sich gerade schon auf den Weg machen, als er plötzlich sah, wie der Mann etwas in Händen hielt – ein gut armlanges, dünnes Rohr, das er an seine Lippen führte. Syrill wusste, dass es sich dabei wohl kaum um eine Flöte handelte. Er sah zwar nicht, wie der schmale Pfeil das Rohr verließ, doch musste er das auch nicht, als weitere Schreie von der Straße, zu ihnen herauf schallten. Irgendwie wusste Syrill in dem Moment, dass dieser Mann für die entstandene Panik mit verantwortlich war, wenn sich ihm auch die Gründe dafür entzogen.
Syrill suchte Schutz hinter dem Schornstein, der zuvor bereits die Sicht verdeckt hatte, doch hatte er seine angeschlagene Rippe vergessen. Der stechende Schmerz lies ihn kurz, aber laut aufstöhnen.
'Nur das nicht.', durchfuhr es ihn. Der Junge betete, dass der Mann ihn bei dem Trubel nicht gehört hatte, als er sich mit dem Rücken eng an den Schornstein presste. Er versuchte seinen Atem zu beruhigen und sich zu beherrschen. Vier, fünf Herzschläge wartete er, dann lugte er um die Ecke des Kamins. - Und begegnete direkt dem Blick des Mannes auf der anderen Seite. Trotz der deutlichen Distanz, hatte er das Gefühl, als würden ihn dessen Augen fesseln. Das Gesicht wirkte ihm näher, als es eigentlich sein konnte. Nichts war darin außergewöhnlich, außer vielleicht den kalten Augen. Würde der Mann auf der Straße an einem vorbei gehen, hätte man ihn just in diesem Augenblick auch schon wieder vergessen. Syrill erkannte, dass genau das den Mann umso gefährlicher machte. Er hatte urplötzlich das Bild vor Augen, wie dieser dann völlig unerwartet, von hinten zuschlug und eine feine Klinge in sein wehrloses Opfer trieb.
Syrills Gegenüber rutschte langsam etwas vom Dachfirst zurück, scheinbar noch immer bedacht, sich nicht, von der Straße aus, entdecken zu lassen. Das Blasrohr hielt er dabei locker in der Hand, als er sich dann aufrichtete und ohne Eile auf Syrill zu kam.
Der zog den Kopf ein, holte noch einmal Luft, während er sich auf den Schmerz vorbereitete und stürzte sich dann nach vorne zur hohen Dachkante, an der er sich eben erst, ein gutes Stück weiter links nach oben gequält hatte.
Syrill hatte wieder die lähmende Panik aufsteigen gespürt, so wie erst vor wenigen Tagen. Doch dieses Mal wollte er sich nicht von ihr beherrschen lassen. Er schüttelte die Angst und den Schmerz ab, so gut er konnte und rollte sich über die Kante. Er wusste, was kommen würde, doch konnte er einen Schrei, beim harten Aufprall auf dem hier deutlich tiefer liegenden Dach nicht unterdrücken. Er war wieder auf dem Gebäude mit dem innen liegenden Garten. Schnell schleppte er sich weiter. Seinen nächsten Schritt hatte er nicht wirklich durchdacht, doch im Nachhinein betrachtet, war es wohl die einzig sinnvolle Alternative. In die Menge, zurück auf die Straße, kam nicht in Frage. Die tiefe Gasse, die ihn bereits eine Rippe gekostet hatte, ebenso wenig. So lenkte er seine Schritte zur Mitte des Gebäudes.
Als er den Rand des Daches erreicht hatte und der Garten unter ihm offen da lag, sah er noch einmal zurück. Hinter ihm, sich noch auf dem erhöhten Dach befindend, kniete der Mann und richtete gerade das Blasrohr auf den Jungen. Syrill sprang, während ein kleiner Pfeil dicht an ihm vorbei pfiff.
In eine Markise, die sich unter ihm befand, setzte er seine ganze Hoffnung.
Er spürte, wie sich der grobe Stoff unter ihm dehnte, als der Junge dort auftraf. Syrill hatte die Beine angezogen, um nicht zu spitz aufzukommen, genau so, wie er es normalerweise bei dem Sicherheitsnetz getan hatte, mit dem er seine Hochseilnummer zu Anfang noch geübt hatte. Doch es reichte nicht völlig. Sein Sturz wurde zwar gemildert und der Stoff blieb heil, doch dafür brach die gesamte Haltekonstruktion, mit der das Sonnensegel an der Wand befestigt war.
Syrill schlug durch und traf hart und schmerzvoll auf einen darunter stehenden Tisch, der ebenfalls der Wucht des Aufpralls nicht standhielt. Mitsamt den Tischtrümmern, der Markise und unter deren Holzrahmen begraben, blieb der Junge schließlich regungslos und stöhnend am Boden liegen. Dann verlor er das Bewusstsein.

* * *

Wie ihr seht, ergibt sich derzeit leider eher ein 14-Tages-Rythmus, was die Veröffentlichungen angeht. Ich bitte dabei um Nachsicht und versuche das Tempo auch wieder mehr anzuziehen. Bis das jedoch klappt, hoffe ich natürlich, dass ihr nicht völlig das Interesse verliert. ;-)

Sonntag, 12. Februar 2012

3. Kapitel Teil 3 - Auf den Dächern von Weißenburg

Als er endlich eine sicherere Postion gefunden hatte, schaute er sich zum ersten Mal richtig um. Die Straße war noch immer berstend voll. Er konnte in einiger Entfernung die Kreuzung sehen, die scheinbar für das ganze Chaos überhaupt verantwortlich war. Nicht minder überfüllt, verbanden sich die beiden großen Straßen dort zu einem einzelnen breiten Strom gen Stadtmitte, der so gut wie gänzlich zum Erliegen gekommen war. Zu allem Überfluss stand dort auch noch ein großer Wagen mitten auf der Straße, der das Vorankommen weiter erschwerte. In der anderen Richtung konnte er ebenfalls kein Ende an Köpfen ausmachen. Der Anfang dieser Flut aus Menschen und sonstigen Wesen musste irgendwo hinter einer Kurve liegen.
Syrill versuchte verzweifel irgendwo seinen Vater oder Bruder auszumachen. Doch es schien aussichtslos. Er rief sogar laut nach den Beiden, doch auch das blieb ohne Erfolg.
Die Gebäude hier waren groß, lang und dicht beieinander gebaut, mit nur wenigen abzweigenden Seitengassen. Schnell erklomm er den Dachfirst um zu sehen, was dahinter lag und stellte überrascht fest, dass das Gebäude noch größer war, als er angenommen hatte. Er sah auf einen gepflegten Garten herab, indem sogar ein Brunnen leise plätscherte und den das Gebäude an allen vier Seiten umgab. Syrill wusste nicht, wem dieses Anwesen gehörte, doch dass es sich um eine wohlhabende Familie handeln musste, war unverkennbar. Er fragte sich, ob er hier etwas finden könnte, was den Menschen auf der Straße helfen könnte, wie er es dem Priester versprochen hatte.. Er tastete sich vorsichtig an den Rand des innen liegenden Daches. Syrill war sich sicher, recht einfach dort auf den Boden gelangen zu können, doch er musste auch seinen Weg zurück planen. Es würde ihm nichts bringen, wenn er dort am Ende fest saß, oder darauf hoffen musste, irgendwie in das Anwesen eindringen zu können. Er umrundete den Garten, um einen besseren Überblick zu erhalten, aber auch das brachte ihn nicht weiter. Auf der gegenüberliegenden Seite stellte Syrill dafür fest, dass nur eine schmale Gasse das Gebäude von einem weiteren Haus trennte. Das linker Hand liegende Dach war zu hoch, um es von hier zu erklimmen. Die Mauer grenzte zwar mehr oder minder direkt an das Anwesen, aber er sah keine Klettermöglichkeit oder sonstige Hilfe von hier, dort hoch zu gelangen.
Er fragte sich, ob die schmale Gasse vor ihm wohl auf eine Straße münden würde, und wie dort das Vorankommen sei. Der Abstand zwischen den Dächern war nicht sonderlich breit, der Junge schätze die Lücke auf vielleicht zwei große Schritt. Allerdings ging es deutlich weiter nach unten und das gegenüberliegende Dach lag leicht erhöht.
Syrill atmete tief ein, nahm einen kurzen Anlauf und wäre beinahe gänzlich abgerutscht, als sich einer der Dachziegel unter ihm löste und einfach weg schlitterte. Seinen Schwung nicht mehr abfangen könnend, sprang er so weit er konnte, doch war er schon zu sehr aus dem Tritt. Syrill schlug hart gegen den Rand des gegenüberliegenden Daches, was ihm einen stechenden Schmerz, in der rechten Brust einbrachte. Mit schierem Glück schaffte er es, sich irgendwie dort festzuklammern, während unter ihm der unglückselige Ziegel in tausend Teile zersprang. Unter Aufbietung aller seiner Kräfte, zog er sich schließlich auf das sichere Dach und blieb dort schwer keuchend liegen. Bei jedem Atemzug durchfuhr ihn ein weiterer Stich. Als er sich etwas erholt hatte und bemerkte, dass der Schmerz nachließ, wenn er nur flach atmete, kämpfte er sich wieder auf die Beine.
Syrill fluchte. 'Diese beschissene Stadt mit ihrem dämlichen Fest.' Erst die Geschehnisse auf ihrem Weg hierher und jetzt das. Nahmen die leidvollen Ereignisse denn gar kein Ende?
Syrill ging langsam und vorsichtig weiter. Dieses Gebäude hier war nicht viel kürzer, jedoch hatte es kein solches Atrium, wie das vorherige und war somit deutlich schmaler. Vom First herunter sah er jedoch, dass dahinter nur ein weiteres Dach wartete und noch immer keine Möglichkeit auszumachen war, wie er hier herunter und auch wieder hinauf kommen könnte. Syrill fragte sich in diesem Moment sowieso, was er hier machte. Wie sollte er dem Priester oder auch den restlichen Menschen in der Menge, dort hinter sich helfen? Er konnte wohl kaum erwarten, hier auf den Dächern ein Seil, oder geschweige denn eine Leiter zu finden. Als er sich den Abstand besah, den er nun überspringen müsste, wurde ihm schlecht. Er betastete seinen schmerzenden Rippenbogen und nahm versuchsweise einen tieferen Atemzug, doch der unmittelbar antwortende Schmerz, lies ihn das sogleich bereuen.
Wenn er sich nicht allzu weit weg bewegen wollte, blieb nur noch das Dach und die Mauer zur linken. Von diesem Dachfirst aus, war der Abstand nicht ganz so hoch und durchaus überbrückbar. Syrill würde zwar ebenfalls springen müssen, aber hier zumindest nur nach oben, was einen tiefen Sturz schon einmal ausschließen würde, sollte er es nicht direkt beim ersten Versuch schaffen. Die Dächer waren glücklicherweise nicht sonderlich steil, was ihn hoffen lies, nicht sogleich wieder das Gleichgewicht zu verlieren.
Er brauchte drei peinvolle Anläufe, bis er es endlich geschafft und sich auf das nächste Dach hoch gezogen hatte. Die Schmerzen waren betäubend und der Junge konnte sich nicht erinnern, schon einmal solch eine Qual erlebt zu haben. Nur der Gedanke, dass auch sein Vater und Melton dort unten waren, lies ihn diese ertragen.
Noch dazu war ihm eine Idee gekommen: Die vielen Lampions, die am Abend die Stadt erhellten. Mit etwas Glück waren die Schnüre stark genug, dass man sich daran hochziehen konnte. Und wenn er sich richtig erinnerte, waren von diesem hohen Gebäude aus, gleich mehrere der Lampionketten über die Straße gespannt.
Von dieser gingen gerade wieder laute Rufe und Schreie aus, die nichts Gutes verhießen. Syrill wollte gerade vorsichtig das Dach überqueren, als ihm auffiel, dass er nicht alleine war.
Zuvor verdeckt von einem Schornstein, lag am anderen Ende des Daches eine Gestalt flach auf den Ziegeln und beobachtete scheinbar aufmerksam die Straße.

Ich weiß, ihr musstet euch dieses Mal etwas länger gedulden. Leider machte unser Internet ein wenig Spirenzchen und ein paar andere Termine nahmen mich noch in Beschlag. Dafür glaube ich, fällt der heutige Teil ein klein wenig länger aus. Ich hoffe ihr verzeiht mir. Bis in einer Woche dann erstmal wieder.

Sonntag, 29. Januar 2012

3. Kapitel Teil 2 - Nach oben

Wie durch ein Wunder konnte Syrill das Gleichgewicht halten, als sich vor ihm plötzlich diese menschliche Lücke auftat. Der Moment genügte, dass er ein, zwei tiefe Atemzüge nehmen konnte, doch sogleich schloss sich die Öffnung in der Menge auch schon wieder. Der Druck nahm erneut zu und Syrill wurde hilflos mal hierin, mal dorthin gepresst.
Auf einmal spürte er einen nicht nachgebenden Widerstand in seinem Rücken. Er sah sich um, so gut es ihm möglich war und erkannte, dass er bis an eine der Hauswände, die die Straße säumten, gedrängt worden war. Er meinte schon, das Geschiebe würde erneut los gehen, doch dann kam die Menge endlich wieder zum Verharren, wie er mit Erleichterung feststellte.
In diesem Moment dachte Syrill zum ersten Mal wieder an Melton und seinen Vater. Hatte er sich zuvor nur Sorgen um sich selbst gemacht, bekam er nun Angst, wenn er an die beiden oder auch die restliche Truppe dachte, die sich auf den Weg zur Eröffnungsansprache gemacht hatte. Er wusste nicht, wie weit sich diese verdichteten Leiber ausgeweitet hatten, beziehungsweise, ob es noch an anderen Stellen zu ähnlichen, katastrophalen Zuständen gekommen war. Auch fragte er sich, wie lange dies noch gehen könne. Irgendwann müssten doch die Nachrückenden merken, dass es nicht voran ging und umkehren, oder sich zumindest einen anderen Weg suchen.
„Hey Junge. Meinst du, du kommst da hoch?“
Syrill wurde aus seinen Gedanken gerissen. Neben ihm stand ein Mann mittleren Alters in einer hellen Robe, die einen leicht bläulichen Ton hatte und der nach oben zeigte. Die Haare waren sorgfältig geschoren und selbst die Augenbrauen restlos entfernt. Um den Hals trug er ein Medaillon mit dem Zeichen Aequillions. Drei gewellte Linien in einem Dreieck. Syrill war nicht unbedingt bewandert, in den Göttern und deren Zuständigkeiten, doch über Aequillion wusste er Bescheid. Der Gott stand für das ausgleichende Wasser, das immer wieder in die Waagrechte kam. Keine offizielle Rechtsprechung vor einem Richter konnte ohne die Anwesenheit, eines Angehörigen seines Ordens stattfinden und kleinere Streitigkeiten wurden oft direkt ihrem neutralen Schiedsspruch anvertraut und in der Regel akzeptiert. Aequillions männliche, wie weibliche Priester trugen der Gleichheit wegen, alle die selbe Kleidung, das selbe Symbol und die Haare ganz nach der Art, wie es der Mann hier vor Syrill tat.
Der Priester zeigte auf einen hervorstehenden Sims an der Wand über ihnen, der scheinbar das Gebäude umlief - direkt unter einem Fenster. Syrill besah sich das nun, neugierig geworden, etwas genauer, doch stellte er enttäuscht fest, dass auch dieses Fenster im oberen Stock vergittert war. Aber, es sollte möglich sein, von dort aus auf das Dach zu gelangen, was ihn zumindest aus der erdrückenden Menge bringen könnte. Nur lag schon das Sims deutlich außerhalb seiner Reichweite.
Syrill schüttelte den Kopf.
„Komm schon. In deinem Alter bin ich fast überall hoch geklettert. Vielleicht findest du auf der Rückseite irgendwas, womit du dem Rest hier helfen kannst. Eine Leiter oder ein Seil, was weiß ich.“ Syrill hörte die Verzweiflung aus der Stimme des Mannes und sah, dass er unnatürlich schief dastand. Scheinbar hatte er sich bereits im Gedränge verletzt und belastete eines seiner Beine nicht mehr richtig.
„Wenn ich an diesen Absatz da ran käme, könnte es schon gehen.“, räumte Syrill noch zweifelnd ein.
„Das... das ist kein Problem. Ich kann dich da hoch heben.“, antwortete der Mann aufgeregt. „Aber du musst versprechen, irgendwas zu finden, was auch uns andere hier raus bringt.“
„Ich versuche es. Aber...“
„Versprich es! Bei Aequillion!“
Syrill nickte.
„Komm! Kletter auf meine Schultern.“ Der Priester faltete seine Hände, sodass Syrill hinein steigen konnte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drückte er den Jungen dann nach oben, damit dieser auf seine Schultern steigen konnte. Syrill vernahm ein qualvolles Stöhnen, als er sein eigenes Gewicht auf diesen ausbalancierte. Er wünschte, der Mann hätte die eingespielte Sicherheit Khalids. Aber sein eigenes Geschick genügte, um tatsächlich von dort an das Sims zu gelangen. Seine Aktion blieb nicht unbemerkt, er hörte nun allerlei Rufe, die wohl im galten.
„Da!“
„Was tut er?“
„Bravo Kleiner!“
Syrills Finger suchten Halt an dem schmalen Vorsprung. Geschickt zog er sich dann etwas nach oben und stemmte die Füße gegen die Wand. Er musste sich nur noch etwas nach rechts hangeln, dann war das Gitter des Fensters über ihm.Er besah den Abstand und schätze ihn auf etwa eine Elle.
'Das müsste klappen.' Ohne viel nachzudenken, lies er sich etwas herunter, federte kurz auf und ab, um seine Glieder auf das Bevorstehende vorzubereiten und zog sich dann explosionsartig nach oben, während er mit den Beinen nachdrückte.
Syrill hielt den Atem an, während er seinen schlanken Körper in die Luft katapultierte und so lang wie möglich machte. Das raunende Publikum nahm er in diesem Moment nicht mehr wahr. Er hörte nur das Pochen seines eigenen wild hämmernden Herzens. Es kam ihm vor, als würde sich die Zeit verlangsamen und alle seine Nervenenden angespannt kribbeln.
Dann fassten seine Hände das Metall des Gitters. Geschickt kletterte er weiter. Oberhalb des Fensters ragten die Querbalken des Dachstuhls aus dem Gemäuer. Von hier war es ein leichtes für Syrill, das Dach zu erklimmen, was mit vereinzeltem Beifall quittiert wurde.

Ich bin übrigens um jedes Feedback in den Kommentaren dankbar.
Was gefällt euch? Was findet ihr unpassend oder langweilig?
Ansonsten, bis in einer Woche.

Sonntag, 22. Januar 2012

3. Kapitel Teil 1 - Auf dem Weg zum Fest

Waren die Straßen an den Tagen zuvor bereits überfüllt, so erfuhr dieser Umstand nun eine weitere Steigerung. Es schien, als wäre die ganze Stadt auf den Beinen und strömte gemeinsam, ins Zentrum von Weißenburg. Eine andere Richtung war auch schlichtweg nicht möglich. Wer einmal in den Sog aus Körpern geriet, konnte nicht anders, als sich mitziehen zu lassen. Die Sonne brannte unnachgiebig, doch hielt das das neugierige Volk nicht ab, sich der Menge anzuschließen. Alle Fahnen der Stadt waren gehisst und zeigten die Banner der verschiedenen Lords und Herrschaftshäuser. Je weiter man ins Innere der Stadt kam, desto mehr entstand der Eindruck, dass wohl jedes Gebäude nun irgendwie geschmückt oder hergerichtet war. Duftende Sommerblumen waren zu kunstvollen Kränzen gebunden und an den Türen befestigt, bunte Wimpel hingen in den Fenstern und die Lampionketten waren kreuz und quer über sämtliche größere Straßen gespannt.

„Was bei den elf Höllen ist hier nur los? Wollen die alle die Eröffnungsansprache mit anhören?“ Melton konnte es nicht glauben. Er befand sich mit seinem Bruder und ihrem Vater inmitten des Gewühls, das irgendwie zum Stocken gekommen war, da sich etwas weiter vorne zwei der Hauptstraßen verbanden. Es war ein Wunder, dass sie sich nicht auch schon längst verloren hatten. Khalid und seine Gefährtin Chalise waren bereits geraume Zeit außer Sicht. Mit solch einem Ansturm hätte der Junge nie gerechnet.
„Ansprache? Firlefanz. Die wollen nur ihre Taschen füllen.“ Melton sah sich um. Neben ihm stand ein dicker Mann und schnaufte schwer, während er sich ebenfalls scheinbar weder vor, noch zurück bewegen konnte. „Damit auch ja genug Publikum der Rede lauschen wird, hat man sich eine weitere unsagbar tolle Sache überlegt.“, antwortete er auf Meltons fragenden Blick. Sein Gesicht verriet, was er im Augenblick tatsächlich davon hielt.
„Es sollen eigens geprägte Münzen von den Dächern, um den Platz vor der Ratshalle geworfen werden. Die Gerüchte überschlugen sich, ob es jetzt Silber, Gold, oder gar Platin sein soll. Tatsächlich weiß ich es aber besser. Die Münzen werden zum größten Teil nur aus Kupfer sein.“
„Zum größten Teil?“, hakte Melton nach.
„Naja, ein paar Goldstücke sind wohl dabei. Aber ich tippe auf gerade mal eine Hand voll.“
„He, ihr seid aber gut unterrichtet.“, mischte sich ein kleiner, unmittelbar vor ihnen befindender Mann mit ein.
„Der Neffe eines Nachbarn hat die Prägestempel gefertigt. Ich bin also tatsächlich recht gut unterrichtet.“
Hastor stöhnte. „Oje, hätten wir das nur früher gewusst.“

Die Luft war auch ohne die enge Menschenmasse bereits stickig. Kein Windhauch war zu spüren, ausser dem heißen Atem der umgebenden Menge. Der Unmut und die Anspannung wurde immer deutlicher und äußerte sich nun auch, in lauten und wütenden Ausrufen.
Syrill befand sich eingezwängt zwischen mehreren übel riechenden Körpern und rang nach Luft. Den Kopf nach oben gereckt, kniff er die Augen schmal zusammen um den blendenden Sonnenstrahlen zu entgehen. Lichter tanzten und Tränen standen ihm in den Augen.
„Gehts denn bald voran?“, rief jemand, nicht weit hinter ihm, was nur mit Unmutsrufen beantwortet wurde. Nicht viel später vernahm der Junge, von irgendwo weiter vorne „Ich schiebe doch gar nicht, du Pissetrinker!“, was kurz danach von lauten Schreien aus der selben Richtung quittiert wurde. Es dauerte nicht lange, dann nahm der Druck von vorne deutlich zu. Die Schreie wurden zahlreicher und lauter, was Syrill Böses ahnen lies, während er mehrere Schritte zurück geschoben wurde. Er glaubte die Stimme seines Vater etwas rufen zu hören, doch kam ihm diese, viel zu weit weg vor.
Plötzlich kamen die Schreie von überall, während ihm die knappe Luft nun vollständig aus den Lungen gepresst wurde. Er fühlte, wie er nach hinten kippte, eingeklemmt in die umgebenden Leiber und dabei weiter zurück gedrängt wurde. Er dachte nur 'So muss sich Ertrinken anfühlen.' während er hilflos mitgerissen wurde und die Sterne vor seinen Augen einen wilden Reigen tanzten. Syrill versuchte sich Platz zu verschaffen. Er drückte und schob mit Armen und Beinen, doch blieb alles ohne Erfolg. Er wäre in das panische Kreischen der Menge mit eingestimmt, wenn er nur den Atem dazu gehabt hätte.
Plötzlich spürte er, wie sich eine Hand in sein Hemd krallte und ihn, zu seinem weiteren Entsetzen nach unten zog, doch rutschte der Griff gleich wieder ab, als der unglückselige Besitzer, von Syrills unmittelbaren Nachbarn nieder getrampelt wurde.
Dem Jungen wurde schlecht, bei der Vorstellung, dass es ihm ähnlich ergehen könnte und war froh, nicht zuvor gesehen zu haben, wer es war. Dafür sah er, wie der Mann vor ihm, plötzlich ebenfalls nach unten wegrutschte, als er scheinbar auf irgendetwas getreten war, was ihn straucheln lies.

So beginnt also das 3. Kapitel. Ich hoffe ihr habt weiter Freude an meiner Geschichte. Bis nächste Woche.