Sonntag, 29. Januar 2012

3. Kapitel Teil 2 - Nach oben

Wie durch ein Wunder konnte Syrill das Gleichgewicht halten, als sich vor ihm plötzlich diese menschliche Lücke auftat. Der Moment genügte, dass er ein, zwei tiefe Atemzüge nehmen konnte, doch sogleich schloss sich die Öffnung in der Menge auch schon wieder. Der Druck nahm erneut zu und Syrill wurde hilflos mal hierin, mal dorthin gepresst.
Auf einmal spürte er einen nicht nachgebenden Widerstand in seinem Rücken. Er sah sich um, so gut es ihm möglich war und erkannte, dass er bis an eine der Hauswände, die die Straße säumten, gedrängt worden war. Er meinte schon, das Geschiebe würde erneut los gehen, doch dann kam die Menge endlich wieder zum Verharren, wie er mit Erleichterung feststellte.
In diesem Moment dachte Syrill zum ersten Mal wieder an Melton und seinen Vater. Hatte er sich zuvor nur Sorgen um sich selbst gemacht, bekam er nun Angst, wenn er an die beiden oder auch die restliche Truppe dachte, die sich auf den Weg zur Eröffnungsansprache gemacht hatte. Er wusste nicht, wie weit sich diese verdichteten Leiber ausgeweitet hatten, beziehungsweise, ob es noch an anderen Stellen zu ähnlichen, katastrophalen Zuständen gekommen war. Auch fragte er sich, wie lange dies noch gehen könne. Irgendwann müssten doch die Nachrückenden merken, dass es nicht voran ging und umkehren, oder sich zumindest einen anderen Weg suchen.
„Hey Junge. Meinst du, du kommst da hoch?“
Syrill wurde aus seinen Gedanken gerissen. Neben ihm stand ein Mann mittleren Alters in einer hellen Robe, die einen leicht bläulichen Ton hatte und der nach oben zeigte. Die Haare waren sorgfältig geschoren und selbst die Augenbrauen restlos entfernt. Um den Hals trug er ein Medaillon mit dem Zeichen Aequillions. Drei gewellte Linien in einem Dreieck. Syrill war nicht unbedingt bewandert, in den Göttern und deren Zuständigkeiten, doch über Aequillion wusste er Bescheid. Der Gott stand für das ausgleichende Wasser, das immer wieder in die Waagrechte kam. Keine offizielle Rechtsprechung vor einem Richter konnte ohne die Anwesenheit, eines Angehörigen seines Ordens stattfinden und kleinere Streitigkeiten wurden oft direkt ihrem neutralen Schiedsspruch anvertraut und in der Regel akzeptiert. Aequillions männliche, wie weibliche Priester trugen der Gleichheit wegen, alle die selbe Kleidung, das selbe Symbol und die Haare ganz nach der Art, wie es der Mann hier vor Syrill tat.
Der Priester zeigte auf einen hervorstehenden Sims an der Wand über ihnen, der scheinbar das Gebäude umlief - direkt unter einem Fenster. Syrill besah sich das nun, neugierig geworden, etwas genauer, doch stellte er enttäuscht fest, dass auch dieses Fenster im oberen Stock vergittert war. Aber, es sollte möglich sein, von dort aus auf das Dach zu gelangen, was ihn zumindest aus der erdrückenden Menge bringen könnte. Nur lag schon das Sims deutlich außerhalb seiner Reichweite.
Syrill schüttelte den Kopf.
„Komm schon. In deinem Alter bin ich fast überall hoch geklettert. Vielleicht findest du auf der Rückseite irgendwas, womit du dem Rest hier helfen kannst. Eine Leiter oder ein Seil, was weiß ich.“ Syrill hörte die Verzweiflung aus der Stimme des Mannes und sah, dass er unnatürlich schief dastand. Scheinbar hatte er sich bereits im Gedränge verletzt und belastete eines seiner Beine nicht mehr richtig.
„Wenn ich an diesen Absatz da ran käme, könnte es schon gehen.“, räumte Syrill noch zweifelnd ein.
„Das... das ist kein Problem. Ich kann dich da hoch heben.“, antwortete der Mann aufgeregt. „Aber du musst versprechen, irgendwas zu finden, was auch uns andere hier raus bringt.“
„Ich versuche es. Aber...“
„Versprich es! Bei Aequillion!“
Syrill nickte.
„Komm! Kletter auf meine Schultern.“ Der Priester faltete seine Hände, sodass Syrill hinein steigen konnte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drückte er den Jungen dann nach oben, damit dieser auf seine Schultern steigen konnte. Syrill vernahm ein qualvolles Stöhnen, als er sein eigenes Gewicht auf diesen ausbalancierte. Er wünschte, der Mann hätte die eingespielte Sicherheit Khalids. Aber sein eigenes Geschick genügte, um tatsächlich von dort an das Sims zu gelangen. Seine Aktion blieb nicht unbemerkt, er hörte nun allerlei Rufe, die wohl im galten.
„Da!“
„Was tut er?“
„Bravo Kleiner!“
Syrills Finger suchten Halt an dem schmalen Vorsprung. Geschickt zog er sich dann etwas nach oben und stemmte die Füße gegen die Wand. Er musste sich nur noch etwas nach rechts hangeln, dann war das Gitter des Fensters über ihm.Er besah den Abstand und schätze ihn auf etwa eine Elle.
'Das müsste klappen.' Ohne viel nachzudenken, lies er sich etwas herunter, federte kurz auf und ab, um seine Glieder auf das Bevorstehende vorzubereiten und zog sich dann explosionsartig nach oben, während er mit den Beinen nachdrückte.
Syrill hielt den Atem an, während er seinen schlanken Körper in die Luft katapultierte und so lang wie möglich machte. Das raunende Publikum nahm er in diesem Moment nicht mehr wahr. Er hörte nur das Pochen seines eigenen wild hämmernden Herzens. Es kam ihm vor, als würde sich die Zeit verlangsamen und alle seine Nervenenden angespannt kribbeln.
Dann fassten seine Hände das Metall des Gitters. Geschickt kletterte er weiter. Oberhalb des Fensters ragten die Querbalken des Dachstuhls aus dem Gemäuer. Von hier war es ein leichtes für Syrill, das Dach zu erklimmen, was mit vereinzeltem Beifall quittiert wurde.

Ich bin übrigens um jedes Feedback in den Kommentaren dankbar.
Was gefällt euch? Was findet ihr unpassend oder langweilig?
Ansonsten, bis in einer Woche.

5 Kommentare:

  1. erinnert zu sehr an duisburg...

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  2. Wo bleibt die Fortsetzung??????????????????????????????????????????????

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  3. Das mit Duisburg ist natürlich richtig, aber weswegen "zu sehr"? Wenn solche Massenpaniken vorkommen, dann ja meistens bei Veranstaltungen mit viel Publikum. Duisburg ist da ja nicht allein. Aber ich denke, dass ich in der Richtung noch etwas Neues mit hinein bringen kann.

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  4. "Zu sehr" weil ich dort jemand verloren hab. Ist hart sowas zu lesen. Ist ne persönliche Ansicht.

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  5. Das tut mir wirklich leid und kann ich dann natürlich verstehen.

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