Eine angenehme Kühle lag in
den weiter innen liegenden Gängen des Ratsgebäudes. Die Hitze des
Morgens war noch nicht durch die dicken Mauern gedrungen und auf
Grund der Ereignisse außerhalb, waren die Flure auch nur spärlich
besucht. Die unteren Stockwerke, in denen sich die überwiegende
Anzahl der Amtsstuben befanden, waren fast vollständig verwaist und
man hörte nur die schweren Stiefel von Kelors Begleiter. Seine
eigenen Schritte gingen dabei fast völlig unter. Er beeilte sich,
den Freiherrn so schnell es ging, zu dessen Ziel zu führen. Die
kühle Luft wäre zwar eine willkommene Abwechslung gewesen, doch er
konnte sie so, nur schwerlich genießen.
Als sie sich dem Festsaal im
obersten Stock näherten, hörte man von drinnen bereits entspanntes
Lachen und gedämpfte Stimmen durch die Tür hindurch.
„Hier ist es Euer
Hochwohlgeboren.“, Kelor wies auf die Tür, in der Hoffnung, dass
er sich nun wieder entfernen könnte.
„Schön, dann mach schon
auf und führ' mich hinein!“, kam stattdessen nur die harsche
Anweisung.
Kelor überlegte kurz, ob er
protestieren und auf seine aktuellen Befehle verweisen sollte, aber
er ahnte, dass das den Bären kaum interessieren würde. Und eine
entsprechende Reaktion wollte er sich gerne ersparen. Er öffnete
also die Tür und tat, wie ihm geheißen.
Im Saal war es deutlich
wärmer als auf den Fluren. Zum einen mochte das an den gut fünfzig
Personen liegen, die sich hier befanden, wie auch an den mehreren,
mannshohen Glastüren, die hinaus auf den langen Balkon führten. Der
Raum selbst war in den Farben Weißenburgs und der umliegenden
Adelsgeschlechter geschmückt, von denen wohl die meisten auch gerade
persönlich zugegen waren. Mehrere Diener gingen umher und füllten
die Kelche, der teilweise recht pompös gekleideten Gäste immer
wieder auf. Dazwischen befand sich auch der ein oder andere Gerüstete
mit Schwert und Waffenrock. Sogar ein paar Sänger und Musiker
spielten zur Unterhaltung ihre Lieder in den verschiedenen Ecken des
Saals, was zu einem recht wirren Durcheinander führte und wohl eine
Art gespielten Wettstreit darstellen sollte.
Nachdem der Bär sich kurz
umgesehen hatte, befahl er Kelor ihn zum Ratobersten Goldwien zu
führen. Auch der junge Gardist musste sich erst gründlich
umschauen, bevor er ihn in dem Treiben ausmachen konnte. Er verkniff
sich ein Seufzen und trabte dann gehorsam los, während der Freiherr
ihm folgte.
Der Ratsoberste strahlte
über das ganze Gesicht als ob der Freiherr ein alter Freund von ihm
wäre: „Ah, mein guter Roderick. Ob Ihr es glaubt oder nicht, aber
wir sprachen just gerade über Euch und Euer fehlendes Erscheinen.
Seine Durchlaucht hier,“ er zeigte auf einen untersetzten Mann
neben ihm, „wollte schon eine Wette anbieten, dass Ihr bereits auf
direktem Weg zur Schwertarena seid.“ Dabei lachten beide, als ob
sie einen großartigen Witz gemacht hätten, was der Bär jedoch mit
stoischer Ruhe hinnahm.
Als sie sich scheinbar
endlich genug amüsiert hatten, entgegnete er jedoch trocken: „Nun,
der Anstand gebietet es, dem Stadtherren meine Aufwartung zu machen.
Dem kam ich hiermit nach.“ Schon im Abwenden, hielt er dann jedoch
noch einmal inne. „Euren Gardisten nehme ich mir übrigens mit, um
mich in diesen Drecksstraßen nicht wieder zu verlaufen.“
Kelor war über so viel
Dreistigkeit fassungslos, doch die beiden Männer schien die
Respektlosigkeit kaum zu stören. Sie lachten beide wieder lauthals
los.
„Tut das, tut das.“,
rief Goldwien ihm nach, dann lauter in die Menge: „Ich setze
zwanzig Goldadler auf den schwarzen Bären mit dem Schwert.“
Kelor beeilte sich zu
folgen. Als sie endlich in den Fluren wieder ungestört waren, nahm
er sich zusammen und versuchte es nun doch, jedoch mit nur wenig
Überzeugung in der Stimme: „Euer Hochwohlgeboren, ich möchte
ungern unverschämt wirken, aber ich habe Befehle, die ich
einzuhalten gedenke.“
„So? Gedenkst du das?
Schenk dir das geschwollene Gehabe. Das passt nicht zu einem
Gardisten. Auch den Hochwohlgeboren kannst du dir sonstwohin stecken
Junge.“
Kelor war überrascht, doch
der Bär sprach weiter: „Du hast deinen Stadtobersten gehört. Ich
habe seine Zustimmung; und wenn er seine Wette nicht verlieren soll,
nur weil ich zu meinem ersten Kampf zu spät komme, bringst du mich
besser schnellstens dorthin.“
Dieses Mal konnte Kelor sein
Seufzen nur schwer unterdrücken, aber so wie es aussah, hatte er
wohl wieder keine andere Wahl.
Es war kein einfaches
Unterfangen, zur Schwerarena zu gelangen. Das ganze Volk strömte gen
Stadtmitte und der Platz lag etwas davon entfernt. Da der
Schwertkampf jedoch in den Augen des Zeremonienmeisters zu den
Publikumsmagneten zählte, befand sich die Arena nicht allzu weit
entfernt. Kelor musste trotzdem einige Umwege wählen, bis sie
endlich ihr Ziel erreicht hatten.
Ganz ähnlich der Arena der
Kräfte, wo es dank Koschs tatkräftiger Mithilfe zu der großen
Keilerei gekommen war, war auf dem Platz des Himmels eine ebensolche
Holzkonstruktion errichtet worden. Der Tempel Haevons lag gleich
dahinter. Alle vier Plätze der Götter würden zu Wettkampfstätten
in den nächsten Tagen werden, in der Hoffnung, dass die Kämpfer
dabei auch deren Gunst empfangen würden. Die jeweiligen Sieger
würden somit auch zu den Champions der Götter ausgerufen werden.
Ein Titel, den wohl so mancher gerne tragen wollte.
Nicht so Freiherr Roderick.
Im ging es nicht um Titel, sein Ruf war auch so schon legendär. Ihm
ging es um das Messen mit den anderen Kämpfern und eventuell ein
paar davon für Bärenfels zu rekrutieren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen