Sonntag, 27. November 2011

2. Kapitel Teil 7 - Die Arena

Syrill und Melton schlenderten über den Markt. Die meisten Stände hatten bereits eine kleine Weile geöffnet, doch der Andrang war zurzeit überschaubar. Noch war das Fest ja auch nicht offiziell eröffnet. Das sollte erst morgen, zur Mittagsstunde geschehen. Daher konnten es sich die beiden Brüder auch erlauben, auf Erkundungstour zu gehen. Die nächste Vorstellung ihrer Truppe sollte erst wieder am frühen Abend stattfinden.
Wie sich zeigte, gab es hier für jeden Beutel etwas. Dementsprechend vielfältig waren auch die Stände. Von einfachen Zelten, mit duftenden Kräutern in der Auslage, zu massiven, extravaganten Holzverschlägen, mit funkelnden Schmuckstücken und entsprechender schwerer Bewachung. Bei einigen von diesen ungewöhnlichen Bauten war Syrill sich sicher, dass diese extra nur für dieses Fest, von einheimischen Ladenbesitzern errichtet worden waren. Wobei er schon fahrende Händler erlebt hatte, die in ihrer Aufwändigkeit, manchem hier Gebotenen nur wenig nachstanden. Sein geschultes Auge sah aber recht schnell, welche Art von Stand einem regelmäßigem Auf- und Abbau standhalten würde und welches Ungetüm, wohl eher abgerissen werden musste, um es vernünftig wieder von diesem Platz zu bekommen.
Doch trotz der schieren Menge an Angebotenem, konnte sie nichts so richtig begeistern. Auch waren ihre finanziellen Möglichkeiten eher bescheiden. So machten sie direkt einen Bogen, wenn der jeweilige Stand bereits mit einem Leibwächter, das mögliche, ernsthafte Klientel aussortierte. Die Vergnügungsattraktionen hatten, wie die Jungen zu ihrer Enttäuschung feststellen mussten, ebenfalls zu dieser Stunde ihren Betrieb noch nicht aufgenommen und so genehmigten sie sich am Ende jeder einen Schmalzkuchen. Das süße Gebäck aus der gewaltigen Pfanne, in der das siedende Schweinefett nur so schäumte, wenn der flüssige Teig hinein gegossen wurde, roch auch wirklich zu verlockend. Danach machten sie sich langsam auf den Weg zurück.
Sie waren noch nicht allzu weit gekommen, als ein lauter Schrei sie innehalten lies. Der tief dröhnende Laut kam offensichtlich von hinter einer Art Tribüne her. Ein einfaches hölzernes Gebilde war errichtet worden, um den Zuschauern einen besseren Blick auf das zu ermöglichen, was sich dahinter abspielte. Wenige Schritte weiter war ein Aufgang, der zu den erhöhten Sitzreihen führte. Dort angelangt, sahen sie vor sich einen rechteckigen Platz, der von ihrer und zwei weiteren Tribünen eingerahmt wurde. Auf der letzten Seite war er offen, so dass man von dort bequem den Platz betreten konnte. Die Sitzplätze waren nur von wenigen Besuchern besetzt, die wohl ebenfalls nur die Neugier her gelockt hatte. Syrill und Melton suchten sich einen Platz weit vorne, um einen besseren Blick auf das zu erhalten, was sich dort abspielte.
Es waren mehrere, unterschiedlich hohe und massiv aussehende Steinsockel auf dem Platz verteilt. Auf dem Boden um jeden der Sockel, waren sechs verschieden große Steinkugeln angeordnet, von denen man keine als klein bezeichnen konnte. Dazwischen standen oder liefen mehrere Gestalten umher, die scheinbar nur aus Muskeln zu bestehen schienen.
„Puh.“, machte Melton. „Da könnte sich ja sogar Marius noch eine Scheibe von abschneiden.“ Er hatte noch nie solch muskulöse Körper gesehen.
Nicht alles waren Menschen, die dort unten die Aufgabe, die es während der Wettkampftage zu meistern galt, besahen und sich auch bereits daran versuchten. Einer der Athleten hatte den Kopf eines Bisons, ein anderer zwar menschliche Gesichtszüge, aber dennoch zwei gewaltige gedrehte Hörner, die an einen Widder erinnerten. Dieser umgriff gerade eine der größeren Kugeln und mühte sich, diese auf den Sockel zu heben. Mit einem tiefen Grunzen, das in einen lauten Schrei überging schaffte er es schließlich auch. Sein nackter Oberkörper glitzerte vom Schweiß, der ihm in Strömen aus den Poren trat.
Die meisten der Männer dort unten trugen nur wenig, was ihren Oberkörper hätte verhüllen können, so als wollten sie sich gegenseitig bereits, allein mit der schieren Muskelfülle beeindrucken und einschüchtern. Nur einer stach hierbei deutlich aus der Menge hervor, indem er darauf scheinbar keinen Wert legte. Trotzdem war sein Anblick für Syrill und Melton nicht minder beeindruckend.
„Dass der sich nicht ständig selbst weh tut. Und was ist das für ein Ungetüm, das er da auf dem Kopf trägt?“
Sie beobachteten den Zwerg in der ungewöhnlichen Rüstung, die dieser trotz der baldigen Mittagshitze trug. Scheinbar mühelos war er gerade dabei, einen der Steine vom Boden auf eines der kleineren Podeste zu hieven. Tatsächlich vollführte er das mit soviel Schwung, dass die Kugel erst gar nicht in der Vertiefung des Sockels liegen blieb, sondern sofort wieder auf der anderen Seite herunter polterte.
„He da. Pass gefälligst auf, du dämlicher Ochse!“, rief einer der Männer, dem die Kugel fast über den Fuß gerollt wäre.
„Oh, oh. Das hätte er besser nicht sagen sollen. Schau mal da rüber.“, lenkte Melton Syrills Aufmerksamkeit nach links.
Der alle auf dem Platz, um mindestens eine Kopfgröße überragende Hüne mit dem Bisonkopf, hatte sich dem Mann zugewandt.
Laut genug, dass es der ganze Platz hören konnte, röhrte dieser wutentbrannt: „Wen nennst du hier dämlicher Ochse?“
In die verdutzte Sprachlosigkeit des Mannes, rief da der Zwerg plötzlich: „Na, ist das nich' offensichtlich? Aber ich werd das schon regeln.“, und trat damit einen Schritt zur Seite, um den Sockel zu umrunden.
„Einen Dreck wirst du!“ Der Bisonkopf, der auch diesen Ausspruch wohl missgedeutet hatte, explodierte förmlich, sprang nach vorne, an dem Zwerg vorbei und erreichte mit nur wenigen Schritten den völlig perplexen Mann.
Innerhalb weniger Lidschläge war dort die wildeste Keilerei ausgebrochen, die die Jungen je gesehen hatten. Scheinbar war der Angegriffene des Bisonkopfes nicht allein hier, denn selbstlos und kurzentschlossen griff ein neben ihm stehender und recht ähnlich aussehender junger Mann in den Kampf mit ein. Der Zwerg, der sich offensichtlich seines Frühsports beraubt sah, warf sich ebenfalls lautstark protestierend dazwischen und riss dabei, einen weiteren bisher völlig Unbeteiligten einfach mit. Am Ende war so ziemlich der gesamte Platz verwickelt.

Der neue Teil folgt im laufe der kommenden Woche.

Dienstag, 22. November 2011

2. Kapitel Teil 6 - Eindrücke

Da seh ich doch gerade zu meiner Schande, dass es den neuen Teil nicht richtig hoch geladen hatte. Asche auf mein Haupt. Hier also etwas verspätet die Fortsetzung.

Syrill und Melton schufteten ebenso wie alle anderen. Sie verschraubten Balken, die die erwachsenen Männer hielten und fädelten dünne Lederschnüre durch die Ringe in den Streben für den Vorhang. Mehrere bemalte Leinwände, als Hintergrund für die jeweilige Vorführung, mussten in die am Boden vorgesehenen Schächte eingesetzt werden. Hastor war zu recht sehr stolz auf seine, überwiegend eigene, Konstruktion, die sich auch deutlich von anderen Theatergruppen abhob. Manche, die sich bereits an Nachbauten versucht hatten, waren am Ende an sich verhedderten Schnüren und anderen Problemen gescheitert.
Als die Bühne endlich stand, war es bereits später als geplant. Die Männer und Frauen hatten nur noch kurz Zeit, für eine schnelle Erfrischung und warfen sich dann auch bereits in ihre Kostüme. Die Jungen waren normalerweise für die Bedienung der verschiedenen beweglichen Bühnenbilder verantwortlich, doch da dieses Mal keine vollständige Geschichte erzählt wurde und diverse Bilder nur im Kontext einer solchen einen Sinn ergab, konnten sie sich überwiegend auf das Zureichen der Requisiten beschränken. Hastor wusste, dass kaum einer der vielen Schaulustigen sich eine komplette Vorstellung ansehen würde. Nicht, wenn aus allen Richtungen um die Gunst der Besucher gebuhlt wurde. Zu vielerlei war das Angebot auf dem Markt. Außerdem gab es hier natürlich nicht die Möglichkeit Sitzplätze anzubieten, die man zu einem festen Obolus hätte verkaufen können.
Also kam es zu einer losen Aneinanderreihung verschiedenster Einzelnummern, die immer wieder, durch kleinere Zwischenpausen kurzzeitig unterbrochen wurden. In diesen gingen die jüngeren Frauen, wie auch Männer zu ihren jeweiligen geschlechtlichen Gegenstücken und versuchten das ein oder andere Geldstück zu bezirzen. Die Ausbeute war, wie zu erwarten, nicht die Schlechteste und die Vorstellung ging, ohne erwähnenswerte Zwischenfälle vonstatten.
Für Syrill war es dazu noch ruhiger als sonst. Er nahm normalerweise, seit fast einem Jahr, bei den Vorstellungen einen aktiveren Part ein, indem er bei einer Seiltanznummer sein Geschick unter Beweis stellte. Doch hier war es nicht möglich gewesen, die benötigten Hochseilpfeiler zu verankern, weswegen er und Khalid ihren gemeinsamen Auftritt hatten ausfallen lassen müssen. Syrill war das nur recht. Auch wenn er gerne auf dem Seil war und mit dem dunkelhäutigen Khalid verschiedene waghalsige Manöver vollführte, so nahm ihn doch das Treiben hier gefangen.
Fast jedes Mal waren sie eine der Attraktionen auf den Märkten und nur wenig konnte von der Anziehungskraft an ihre Truppe herankommen. Doch in Weißenburg war das anders. Es gab gewaltige Bauten, deren Funktion er von weitem nur erahnen konnte, bunte Stände mit leuchtenden Fontänen in einem unregelmäßigen Rhythmus. Konkurrierende Gaukler auf hohen Stelzen, die durch die Menge schritten und versuchten das Publikum zu ihren eigenen Veranstaltungen weg zu locken. Er selbst war sogar das ein oder andere Mal versucht, sich entführen zu lassen.
Auch Melton sah mit großen Augen zu den anderen Ständen und vergaß nicht nur einmal das Zureichen eines Musikinstruments oder großen Messers. Doch heute bot sich keine Gelegenheit mehr, ihre Neugier zu befriedigen. Der nächste Tag sollte das jedoch ändern.

* * *

Schon am Morgen begann das Jahr zu zeigen, dass es seinem Sonnenstern endlich wieder die volle Kraft verliehen hatte. Der goldene Ball am Himmel strahlte in einer Intensität, die für den Tag viel Schweiß und noch mehr Durst vorhersagte.
Kosch schaute nach oben, zu dem blauen Himmel und wischte sich mit dem Handrücken, über die bereits feuchte Stirn. Er besah sich die Tropfen auf seiner Haut und grummelte nur: „Was 'ne Verschwendung.“
Er war schon verhältnismäßig früh, nach der durchzechten Nacht aufgebrochen, um dem größten Gedränge in den Straßen zu entgehen. Auch den Weg hatte er sich dieses Mal genau erklären lassen und gut eingeprägt. Ein Herumirren, wie am gestrigen Abend wollte er vermeiden und die ständigen Verwünschungen, wenn er wieder mit seiner Rüstung und deren Stacheln einem arglosen Passanten zu nahe gekommen wäre, ohne das dieser hätte ausweichen können, wären ihm doch etwas aufs Gemüt geschlagen. So hatte er es sich zumindest überlegt, nachdem ein, nicht mehr länger zu ignorierender Kopfschmerz, ihn vom weiteren Schlaf abgehalten hatte.
Doch leider war das Eintragen bei den Wettbewerben nicht ganz nach seinen Vorstellungen verlaufen. Der tattrige Schreiberling hatte auf die Frage nach den teilzunehmenden Wettbewerben, seine brummige Antwort „Bei allen!“ offensichtlich für einen unverschämten Scherz gehalten. Erst als Kosch einen recht prallen Beutel mit Goldstücken unter der Rüstung hervor gezogen hatte, schien der Alte seinen Wunsch doch kurz zu überdenken.
Doch nach einiger Diskussion und irgendwelchen hitzigen Erklärungen, denen Kosch noch nicht recht folgen konnte – irgendetwas mit Überschneidung im Zeitplan und verschiedenen zu weit von einander entfernten Kampfstätten – hatte man sich geeinigt. Auch musste sich der stämmige Zwerg eingestehen, dass Hühner fangen und Lanzenstechen hoch zu Roß, nicht ganz seinen Vorstellungen entsprach. Wer konnte denn auch ahnen, dass die Stadt es dermaßen mit den Wettbewerben übertreiben musste? Für Koschs Vorstellung wäre eine einfache Keilerei oder eben ein bewaffneter Kampf am Boden absolut ausreichend gewesen. Nun nahm er bei beidem teil und konnte sogar noch durchsetzen, an ein paar Kraftdisziplinen mit dem großen Stein, teilnehmen zu dürfen. Der Schreiber hatte nur mit den Achseln gezuckt und gemeint 'es sei ja schließlich Koschs Geld'.
Nun stand der Zwerg also schwitzend vor der Amtsstube und überlegte, wie er den angebrochenen Morgen weiter nutzen sollte. Da ihm noch immer nicht nach einem Frühstück stand, entschied er sich erst einmal, die Austragungsorte der Wettkämpfe zu besichtigen. Es war schließlich nie verkehrt, die Umgebung eines bevorstehenden Kampfes zu kennen.

Den nächsten Teil findet ihr hier im Laufe der Woche.

Sonntag, 13. November 2011

2. Kapitel Teil 5 - Ein Glücksfall

„Es freut mich außerordentlich Euch wieder bei uns begrüßen zu dürfen, alter Freund.“ Hauptmann Chrasinius schüttelte überschwänglich Hastors Hand. „Und wie ich sehe, bringt Ihr Unterstützung mit.“ Mit einem freundlichen Lächeln nickte der Hauptmann den beiden Jungen zu.
„Das sind Syrill und Melton. Meine beiden Söhne.“ Chrasinius musterte sie aufmerksam. „Sie sind zum ersten Mal in eurer schönen Stadt und das, auch noch gleich zu solch einem Fest. Ich muss Euch wirklich ein Lob aussprechen. Eure Ausrufer haben scheinbar wahrlich, vorzügliche Arbeit geleistet, bei derart vollen Straßen. Auch euer Marktplatz scheint bereits bestens bestückt zu sein.“
„Wohl wahr, wohl wahr. Aber setzt euch doch erst einmal.“
Hastor und die Jungen kamen der Aufforderung nach und setzten sich auf ein bequemes Sofa neben dem Kamin, auf das der Hauptmann gewiesen hatte. Er selbst nahm in einem hohen Ohrensessel, ihnen gegenüber Platz. Auf einem kleinen Tisch, in der Mitte der Sitzgruppe standen noch Becher und Wein von vorherigem Besuch.
„Ihr habt Recht. Die Ausrufer waren tatsächlich sehr erfolgreich. Doch nicht auf meinen Wunsch, da dürft Ihr euch versichert sein. Diese Ehre gebührt allein dem Rat der Herrschaftshäuser. Mir selbst war der Zulauf des bisherigen Festes mehr als ausreichend. Wie Ihr euch sicher denken könnt, bietet solch ein Ereignis für die Stadtwache eher wenig Grund zum Feiern und bedeutet nichts als Arbeit und Ärger.“ Hastor nickte verständnisvoll, ohne zu unterbrechen.
„Prügeleien zwischen Besoffenen und die Vielzahl kleiner Diebereien sind nur die Spitze der Lanze. Der Rat hat sehr konkrete Vorstellungen, wie sein Fest abzulaufen hat und möchte penibelst über völlig unwichtige Vorkommnisse informiert sein, sodass ich derzeit mehr mit Berichten beschäftigt bin, als ich es in meiner ganzen bisherigen Amtszeit zusammen war.“ Chrasinius war während seinen Ausführungen noch einmal aufgestanden und zu einem Schrank an der Wand getreten, um frische Becher und eine weiteren vollen Krug zu bringen. Auch Syrill und Melton schenkte er davon ein. Danach nahm er ebenfalls wieder Platz.
„Aber nun gut. Zumindest für euch werden die Anweisungen unseres Rats zum Vorteil gereichen.“
Hastor zog fragend eine Augenbraue hoch. „Wie meint Ihr das?“
Die Männer hatten bereits einen tiefen Zug aus ihren Bechern getan und auch Syrill nippte nun vorsichtig an dem seinen. Es war ein sehr milder und fruchtiger Wein, der zusätzlich scheinbar noch mit etwas Wasser verdünnt worden war. Der Schrank hatte ihn zudem recht kühl gehalten, sodass es ein wirklich erfrischendes Getränk abgab.
„Nun, die Ratsherren haben für Spätankömmlinge mit einem renommierten Ruf, so wie Ihr also, mehrere Plätze in der Stadt freihalten lassen. Es kann sein, dass man dies mit etwas Nachdruck durchsetzen werden muss, aber das soll nicht Euer Problem sein. Die Anweisungen waren unmissverständlich.“

„Wer hätte das gedacht? Es scheint, als hätten wir hier zumindest etwas Glück.“ Sie waren soeben aus Chrasinius' Amtsgebäude getreten und Hastor schien tatsächlich recht erleichtert und das Erzählte für die Gruppe ein richtiger Glücksfall. Chrasinius wollte ihnen zum morgigen Sonnenaufgang einen Boten schicken, der ihnen den Platz weisen sollte. Melton hatte hierbei zwar leise aufgestöhnt, doch eine spätere Uhrzeit wäre kaum praktisch gewesen, bei den überquellenden Straßen.
„So, das bedeutet ihr dürft euch jetzt für genau eine Sache entscheiden, die wir heute noch unternehmen und dann machen wir uns auf den Weg zurück. Die Nacht wird kurz.“

So sollte es auch sein. Die Jungen wollten es sich natürlich nicht nehmen lassen, wenigstens einmal über den Marktplatz zu schlendern, was an sich schon eine abendfüllende Beschäftigung war. Einmal im Tumult war ein schnelles Durch- oder auch wieder Zurückkommen fast ausgeschlossen. So mussten sie sich von den Massen treiben lassen und waren fast vollauf beschäftigt, dabei zusammen zu bleiben. Kurze Blicke im Vorbeigehen auf die jeweiligen weniger umringten Stände waren alles, was sonst noch möglich war, bevor sie sich wieder auf den Rückweg zu den Wagen machten.

* * *

Der nächste Tag bedeutete für alle von den Schaustellern mehr als genug zu tun. Zwar konnten nicht sämtliche Wagen, in der Nähe des Platzes für die Bühne aufgestellt werden und blieben somit dort wo sie waren, doch mussten natürlich trotzdem alle Bauten und Requisiten dorthin geschafft werden. Je weiter der Tag fort schritt, desto beschwerlicher wurde die Arbeit. Die Straßen wurden wieder voll und die bereits vorhandenen Stände gut besucht. Hastor gab seiner Gruppe vor, eine erste improvisierte Vorstellung am frühen Abend abzuhalten, was den ersten Schaulustigen auch immer wieder zugerufen wurde.
„Meister Hastors fahrendes Theater. Spannung, Artistik, Gaukelei. Freut euch, auf sich drehende, menschliche Zielscheiben, verbundene Augen und fliegende Messer. Jonglage mit brennenden Keulen in einer Zahl, wie ihr sie nie zuvor gesehen habt und so mancher von euch sicher nicht einmal bis dorthin zu zählen vermag. Zersägte wunderschöne Meiden, ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt wird und verschwundene Schwiegermütter, die, so die Götter wollen, niemals wieder gesehen werden. Bringt also mit, wen ihr mögt und schickt uns auch die, die ihr nicht ganz so nah am Herzen tragt. Wir beginnen am Abend und enden in der Nacht.“
Wie erwartet kam es immer wieder zu Gelächter bei dieser Art von Ankündigungen und spontanen Zwischenrufen. Hastor hatte ein gutes Gefühl was den Abend anging, doch trotz dem eigentlich ausreichenden Zeitfenster wurde es zum Ende gar knapp.

Der nächste Teil folgt im Laufe der Woche.

Mittwoch, 9. November 2011

2. Kapitel Teil 4 - Drachenodem

Alef zapfte erneut zwei Bier und stellte dazu je zwei kleine gläserne Gläser vor Kosch und Kelor, doch dieser lehnte sofort ab.
„Nein, nein, Alef. Bleib mir fort mit deinem Fusel. Ich hab dein Gesöff schon mal ertragen.“ Mit Schaudern dachte der junge Mann an seinen ersten Abend im Dienst der Stadtwache. Während einer Art Initiationsritus war auch der Drachenodem auf den Tisch gekommen und dieser war weder ihm, noch einem seiner anderen Jungkameraden sonderlich gut bekommen.
„Schenk ein Wirt, dann bleibt mehr für mich.“ Der Zwerg zog sich auch die beiden Getränke von Kelor vor die Nase, die gerade so über den Tresen reichte.
Doch dieser war gespannt, ob der Zwerg auch nur sein eigenes zweites Glas leeren würde.
In der Zwischenzeit hatten auch andere Gäste, das sich anbahnende Schauspiel bemerkt und eine kleine Traube, um den ungewöhnlichen Besucher gebildet.
„Gebt Acht, Herr Zwerg. Was von meinem Drachenodem eingeschenkt wird, muss auch getrunken werden. Stehend. Ich gebe Euch alle vier Runden aus, doch fließt auch nur ein Tropfen davon, nicht eure Kehle hinab, zahlt ihr mir die doppelte Menge des normalen Preises. Das Gleiche gilt, wenn ihr Euch nach dem Letzten, nicht mehr auf den Beinen befinden solltet.“
Kelor beobachtete Kosch. Er sah, dass auch der Zwerg offenbar, die Sache nun doch etwas genauer bedachte. Mit wachsamem Blick hatte dieser die Menge um sich herum erfasst und auch bemerkt, dass an Alefs Getränk wohl doch etwas mehr sein könnte, als er zu Anfang angenommen hatte.
„Herr Wirt, das klingt annehmbar. Doch der Terz, den ihr um euer Wässerchen macht, macht mich wiederum etwas stutzig. Ich schlage also vor, dass mir die ganze Flasche samt Inhalt zusteht, sollte ich eure vier Gläser leeren.“
Nun war Kelor gespannt. Die Flasche war groß und noch halb voll und normalerweise verlangte Alef pro Glas ein kleines Vermögen. Ob der Inhalt das wirklich wert war, wusste er natürlich nicht. Auch nicht, wie leicht es Alef fiele eine neue Flasche zu besorgen.
Der Wirt mochte dies ebenfalls bedenken, doch schlussendlich sagte er „Abgemacht!“ und hielt dem Zwerg die Hand hin, in welche dieser einschlug.
Theatralisch baute Alef nun, die vier kleinen Gläser vor Kosch auf. Danach nahm er seine Flasche mit dem Drachenoden und schwenkte sie leicht hin und her, bis sich ein Wirbel in der Flüssigkeit bildete. Mit großen Augen und begleitet von den 'Ohs' und 'Ahs' mancher Gäste, sah Kosch dabei, eine Art rotes Leuchten, das von dem Wirbel ausging. Alef entfernte den Glasstöpsel und eine kleine Rauchsäule stieg aus der Flasche. Kosch bemerkte, dass es im Lokal ungewöhnlich ruhig geworden war. Scheinbar hatten sie die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
Alef schenkte nun etwas in die Gläser. Er ging dabei äußerst umsichtig zu Werke und lies sich viel Zeit. Zu viel Zeit für Koschs Geschmack, wie er mit ruppiger und lauter Stimme verlauten lies: „Jetzt mach schon hinne, Wirt. Meine Kehle ist schon wieder trocken.“
Endlich war Alef fertig. „Dann bedient Euch, wenn ihr so durstig seid.“
Kosch griff beherzt zu. Das Glas fühlte sich ungewöhnlich warm an und ein schwefliger Duft stieg dem Zwerg in die Nase, wie er ihn nur aus Höhlen kannte, die noch vom glühenden Blut der Erde durchströmt waren. In einem Zug kippte er das erste Glas hinab.
Gebannt starrten ihn die Umstehenden an, als ob er sich gleich vor ihren Augen in einen Riesen oder gar Drachen verwandeln würde.
Zuerst geschah nichts, doch dann bemerkte Kosch ein leichtes Ziehen und Drücken in seiner Magengegend. ...Und im nächsten Moment schien sein Mund, die Speiseröhre und sein restliches Inneres, das mit dem Drachenodem in Berührung gekommen war, zu explodieren. Er verspürte ein unglaubliches Brennen, wie er es nur von einem Kraut her kannte, mit dem die Zwerge in kleinen Dosen ihr Essen würzten. Allerdings war das hier, um ein Vielfaches schärfer.
Jetzt verstand er, warum der Wirt das Zeug Drachenodem nannte.
„Nun, Herr Zwerg? Wie mundet Euch mein Wässerchen? Ist das nicht ganz nach Eurem Geschmack?“, fragte Alef mit süffisantem Grinsen.
Kosch hörte vereinzeltes Kichern um sich herum und Getuschel, als Gäste, die den Drachenodem selbst schon einmal versucht hatten, ihren Nachbarn erklärten, was daran so besonders war. Antworten konnte er nicht.
Alef schien den Ausdruck in dem Gesicht des Zwergs zu genießen. Erneut stichelte er. „Warum so still? Dieser eine Schluck kann doch nicht schon Euren ganzen Durst gelöscht haben? Hier!“, und schob damit das zweite Glas vor die Nase des Zwerges.
Kosch nahm das Glas. Noch nie hatte er vor einem Getränk kapituliert. Noch dazu verspürte er deutlich, dass das Zeug auch einiges an Alkohol in sich hatte. Mit der Hoffnung, dass der seinen Magen später, das Brennen vergessen machen würde, wenn er nur genug davon trank, kippte er auch dieses.
Der Zwerg keuchte. Tränen in den Augen ließen ihn den Wirt nur noch schemenhaft erkennen, doch er war sich dessen Feixen sicher.
„Oho, ein mutiger Bursche, unser kleiner Freund hier. Ich werde doch nicht noch meine ganze Flasche an ihn verlieren?“ Alef unterhielt mehr das Publikum, als dass er wirklich mit Kosch sprach – was diesem nur recht war. Seine Därme rebellierten und ihm schwante bereits vor dem nächsten Schluck. Er nahm sich das Glas.
Feuer! So fühlte es sich an. Er war sich sicher, dass seine Zunge bereits eine einzige Brandblase war und auch sein Hals, dem Atmen nach, so langsam zuschwoll. Kosch musste sich am Tresen festhalten um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Aber seine Eingeweide schienen sich so langsam, mit dem Zustand abgefunden zu haben. Entweder das, oder sie waren weg gebrannt. Zumindest spürte er sie nicht mehr.
Ein letztes, kleines Glas stand vor ihm, und Kosch, Erster der Felsenschmetter vom Clan der Felsenschmetter, dachte ernsthaft darüber nach, es abzulehnen. Auch war er sich nicht sicher, ob sein Kreislauf ein weiteres Glas, dieses dämonischen Gesöffs, vertragen würde.
„Lasst es stehen. Ihr zahlt mir auch nur den einfachen Satz. Bestimmt werden noch andere Gäste neugierig geworden sein und mir euren mutigen Versuch mehr als vergelten.“
Doch mit diesem, nur halblaut geraunten Ausspruch, hatte Alef genau das Gegenteil von dem erreicht, was er gerne hätte.
„Jeder Tropfen meine Kehle hinab?“ Kosch nahm das letzte Glas, hielt es triumphierend in die Höhe und kippte es in einer flinken Bewegung... in seinen frischen Bierkrug, der noch immer vor ihm stand. Es zischte und blubberte kurz, als wenn man glühenden Stahl in ein Wasserbad tauchte, worauf sich das Bier leicht bläulich verfärbte.
Alef protestierte: „He, so war das aber nicht gemeint. Ihr könnt doch nicht...“
„Jeder Tropfen!“, und Kosch sog den Krug erneut auf einen Zug leer.
Sein Mund brannte zwar auch jetzt, doch mehr durch die Flüssigkeit des Biers, als durch den verdünnten Drachenoden. Dazu hatte das Ale einen angenehmen Beigeschmack erhalten, wie Kosch fand.
„Hmm, gar nicht so schlecht diese Bierwürzsoße, das gibt dem Ale die richtige Note. Noch einen Humpen und vergiss meine Flasche nicht.“
Die Gäste johlten. Lauter Applaus quittierte Koschs kleinen Trick und lies Alef gar keine andere Wahl, als beides mit zerknirschtem Gesicht vor den Zwerg zu stellen.
Kosch drehte sich darauf zu Kelor. „So, mein junger Freund. Und jetzt wird einer gehoben.“

Den nächsten Teil könnt ihr am Wochenende hier lesen.

Sonntag, 6. November 2011

2. Kapitel Teil 3 - Zu Gast bei Alef

Die Turmgasse hatte ihren Namen vom höchsten Gebäude in der Stadt. Es war ein einfacher schlanker Turm, der hoch in den Himmel ragte. Tag und Nacht mit Wachen besetzt, hatte man von dort eine gute Übersicht über die Stadt und weit darüber hinaus, wenn es das Wetter zuließ. Direkt darunter lag ein weiteres Gebäude der Stadtwache mit einer kleinen Einheit Männer, die in einem Notfall sofort alarmiert werden konnte, ohne die ganze Stadt in Aufruhr zu versetzen. Sollte dies doch einmal nötig sein, befand sich in der Spitze des Turms eine gewaltige Glocke, die mit ihrem tiefen durchdringenden Klang weithin vernommen werden konnte. Doch selbst die ältesten Einwohner Weißenburgs konnten sich nicht erinnern, diese jemals gehört zu haben.
So kam es, dass viele regelmäßige Besucher von Alefs Wirtshaus, der Stadtwache angehörten.
Der Schankraum war gut gefüllt, wie so ziemlich alle Lokale in denen man etwas essen und trinken konnte. Der Duft von Alefs berühmtem Kartoffeleintopf lag in der Luft und Kelor sog ihn tief ein. Sofort kam ihm wieder der stinkende Zwerg in den Sinn, wegen dem er nun eigentlich hier war, doch er konnte diesen nirgendwo entdecken. Der junge Mann schlängelte sich an den Schankmädchen vorbei, die mit schwer beladenen Tabletts ihre Gäste versorgten. An einem der größeren Tische saßen fünf Kameraden von ihm, die sein Ziel waren.
„Kelor, das wird aber auch Zeit. Wir wollten schon ohne dich anfangen.“ Ein etwas stämmigerer Mann mit einem runden Gesicht griff nach einem Kartenspiel, das neben ihm auf dem Tisch lag. „Setz dich. Essen kannst du später. Jungs, macht mal Platz.“
Kelor wusste, warum sie so auf seine Anwesenheit erpicht waren. Die letzten drei Abende, an denen er am Kartenspiel teilgenommen hatte, waren nicht sehr erfolgreich für ihn verlaufen und er hatte nur deshalb einem weiteren Spiel zugestimmt, weil er hoffte, so etwas von seinem Verlust wieder wett zu machen. Im Endeffekt war es aber vielleicht besser so, dachte er sich, als er statt auf dem angebotenen Stuhl Platz zu nehmen, stehen blieb.
„Heute nicht. Chrasinius hat mich mit einer wichtigen Sonderaufgabe betraut.“
„Was?“ Erst überrascht, verzog sich dann das runde Gesicht mit einem lauten Lachen, in das die Übrigen am Tisch einfielen. „Von was für einer Sonderaufgabe faselst du? Sollst du Chrasinius etwas Eintopf bringen?“ Erneut gab es schallendes Gelächter. „Mach dich nicht lächerlich und setz dich endlich.“
Als sich Kelor jedoch noch immer weigerte, bemerkte das dicke Gesicht, dass er es ernst meinte.
Nachdem er von den Ereignissen am Stadttor und bei seinem Hauptmann berichtet hatte, brachte ihn dies jedoch auch nicht weiter. Leider konnte sich niemand an solch einen Zwerg erinnern, was Kelor zu der Meinung brachte, dass er auch nicht hier gewesen sein konnte.
„Vielleicht haben wir ihn nur übersehen. Zwerge sind ja nicht sonderlich groß.“
„Nein, glaubt mir, der wäre euch aufgefallen.“
Und mit diesen Worten verabschiedete er sich erst einmal um den dicken Wirt aufzusuchen, der hinter der Theke stand.
„Grüß dich, Alef.“
„Ah, Kelor, magst du was essen? Ist nicht mehr viel da für Heut'. Die fressen mir hier noch die Haare vom Kopf. Werd’ für morgen wohl die doppelte Menge vorbereiten müssen.“
Der Wirt sprach, ohne Kelor dabei anzusehen, nachdem er ihn begrüßt hatte. Stadtdessen war er damit beschäftigt Bier in große Holzkrüge zu zapfen.
„Ja gern. Aber ich brauch auch noch ein paar Auskünfte.“ Kelor wollte gerade nach dem verrückten Zwerg fragen, als jemand neben ihn trat und ihn recht unsanft zur Seite drückte.
„Mach mal Platz Jungchen, hier hat jemand Durst. He, Wirt…“
Kelor drehte sich überrascht der kurzen Gestalt neben ihm zu. Den Kopf gerade hoch genug, dass er über die Theke schauen konnte, überragte dessen Horn auf dem Helm sogar den großen Alef. Und da war auch wieder der säuerliche Geruch, der dem Zwerg anhaftete; nur der Kadaver auf dem Rücken schien glücklicherweise in den Straßen abgefallen zu sein.
Als Kelor ihn so überrascht musterte, erkannte auch der Zottelbart den jungen Gardisten wieder.
„Aber du bist doch der Kerl, der mir den falschen Weg genannt hat. Von wegen Truhengasse, die gibt es hier gar nicht, in dieser vermaledeiten Stadt. Kannst von Glück reden, dass ich nicht nachtragend bin.“ Ein listiges Funkeln zeigte sich kurz in den schmalen Augen des Zwergs. „Das heißt, wenn du mir das nächste Bier ausgibst.“
Kelor war zu perplex, um etwas zu erwidern und schaute den Zwerg noch immer nur mit großen Augen an.
„Bestens. Wirt, du hast’s gehört. Zwei Mal Bier und Schnaps für mich und meinen Spender. Aber lass dir nicht einfallen uns so dünnes Zeug vor zu setzen.“
Alef überhörte die Beleidigung und begann zwei Humpen Bier zu zapfen. Kelor war in der Zwischenzeit zu dem Schluss gekommen, dass es wohl das Beste wäre, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, da er so wohl am einfachsten etwas über den Zwerg in Erfahrung bringen konnte. Besonders interessierte seinen Hauptmann, ob von dem Zwerg eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehen könnte und in welchen Disziplinen er starten wollte, denn daran, dass er wegen der Teilnahme an einem der Wettkämpfe hier war, schien für Chrasinius keinerlei Zweifel zu bestehen.
Nachdem der Wirt auch noch zwei kleine Zinnbecher mit Schnaps neben die hohen Bierkrüge gestellt hatte, reichte der Zwerg jeweils eins der Getränke an Kelor.
„Ich bin übrigens Kosch, Erster der Felsenschmetter. Es reicht aber, wenn du Kosch zu mir sagst. Also, in einem Zug!“ Mit diesen Worten kippte Kosch erst das Bier herunter und lies sogleich den Schnaps folgen. Der Schaum hing ihm unter der Nase und das wenige übergeschwappte Bier rann ihm durch den Bart.
„Ah, das war ein guter Anfang. Wirt, dein Ale ist gut, aber der Schnaps zu lasch. Was haste noch?“
Kelor hatte mit großen Augen zugeschaut. Noch nie hatte er jemanden so schnell einen Humpen leeren sehen. Er besah sich seinen eigenen Krug, doch der war noch immer zur Hälfte voll.
„He Jungchen, du musst dich schon ranhalten, wenn wir gleichauf bleiben wollen.“
Doch das wollte Kelor nun gar nicht. Er erkannte sofort, dass dieser 'Erster der Felsenschmetter' in einer anderen Gewichtsklasse trank.
Der Zwerg hatte in der Zwischenzeit bereits die zweite Lage geleert und den nächsten Schnaps versucht, doch er beschwerte sich schon wieder über ‚das milde Wässerchen’, wie er es nannte.
Alef lachte. „Oho, da möchte wohl jemand meinen Drachenodem versuchen. Der geht dann vielleicht sogar aufs Haus.“ Mit diesen Worten verschwand der Wirt im Hinterzimmer.
„Na, das klingt doch gar nicht so übel. Weißte Jungchen, ich mag Drachen. Die hamm immer die dollsten Höhlen und schönsten Sachen dort. Man darf sie nur nicht wecken, wenn du verstehst was ich meine?“ Kosch zwinkerte Kelor dabei zu.
„Wie heißtn eigentlich? Bist nicht gerade der Gesprächigste, hm?“
Kelor wollte gerade antworten, als der Zwerg ihm erneut zuvor kam. „Ah, da kommt der Wirt mit seinem Drachenzeug. Wollen doch mal testen, was das so kann.“
Tatsächlich war Alef mit einer großen Glasflasche zurückgekehrt. Eine unscheinbare, klare Flüssigkeit befand sich darin.

Der nächste Teil folgt am Mittwoch.

Mittwoch, 2. November 2011

2. Kapitel Teil 2 - In der Stadt

„Es ist unerhört!“, polterte Kelors Vorgesetzter. In seiner Amtsstube war er nicht allein. Mit einem Becher Wein in der Hand saß Meister Berelon bei ihm und hatte ihn soeben von der letzten Eintragung unterrichtet.
„Wieso weiß ich nichts von dieser Katze, Kelor? Hatte ich nicht angeordnet, mich umgehend über alle ungewöhnlichen Besuchern zu unterrichten?“
Nervös trat der junge Mann von einem Bein aufs andere.
„Mein Herr, ich kann mich nur wiederholen. Ich teilte euch alle mit, die mir dessen nötig erschienen. Diese Katze kam nicht durch mein Tor. Vielleicht geschah dies vor meiner Schicht, oder bei einem der anderen Tore.“
Kelor hatte den Eindruck, dass er mehr als ungelegen gekommen war. Kaum, dass er den Raum, nach einem unwirschen ‚Herein’ betreten hatte, wurde ihm dies sehr deutlich gemacht. Sein Hauptmann fiel sofort über ihn her, als ob Kelor allein für alle Tore verantwortlich wäre.
Die Schimpftirade dauerte noch eine Weile an, bis er endlich entlassen wurde. Schon fast bei der Tür, fiel ihm wieder ein, weshalb er eigentlich gekommen war. Kelor drehte sich um und bat ums Wort.
„Was ist denn noch?“, fragte sein Vorgesetzter gereizt.
„Es kam jemand an, über den ich euch unterrichten soll. Ich möge euch Grüße von einem Meister Hastor überbringen. Er lässt fragen, ob noch Platz auf dem Markt für seine Wagen sei. Ihr würdet ihn und seine Truppe kennen. Zurzeit haben sie noch vor der Stadt Quartier bezogen und befinden sich bei den übrigen Zelt- und Wagenbesuchern.“
Sofort gnädiger gestimmt, gab Hauptmann Chrasinius seinem Untergebenen Anweisung Hastor herbei zu rufen. Er schien über dessen Ankunft wirklich erfreut. Als Kelor jedoch noch immer keine Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen, zog der Hauptmann fragend eine Augenbraue nach oben.
„Ähm, das ist noch nicht alles. Wir hatten noch einen Ankömmling.“

Mit hochrotem Kopf und von Verwünschungen begleitet eile Kelor schnellstens durch die Tür. Das war es dann wohl mit dem Badehaus. Dieser Hastor blieb nicht sein einziger Zusatzauftrag für diesen Abend. Zumindest kam er so vielleicht doch noch zu Alef Eintopf.

* * *

Melton quengelte. „Aber warum denn nicht? Wir gehen ja auch nicht allein.“, versuchte er seine Mutter von einem Besuch in der Stadt zu überzeugen. „Marius und Dareck wären doch bei uns. Bitte.“
Seine Mutter blieb hart. „Nein, morgen ist noch genug Zeit. Allein am Abend ist das nichts für Kinder und ich kann mir kaum vorstellen, dass die beiden wirklich Lust haben, gleich am ersten Abend euch am Bein zu haben. Wissen Dareck und Marius überhaupt, zu was du mich hier zu überreden versuchst?“
Melton schmollte, er war sich sicher, dass die beiden Freunde nichts dagegen haben würden, wenn er und Syrill sie begleiteten. Bei was könnten sie schon stören?
Er wollte gerade von neuem ansetzen, als es klopfte und eine unbekannte Stimme nach Hastor rief.
Helmine öffnete und erblickte einen jungen Mann, der die Uniform der Stadtwache trug.
„Ja? Was wollt ihr?“ Ihre Stimme verriet keinerlei Respekt vor der Uniform, was noch von ihrer erhöhten Position aus dem Wagen unterstrichen wurde. Der junge Kelor, der das zu seinem Leidwesen durchaus gewohnt war, antwortete ihr freundlich: „Mein Hauptmann Chrasinius schickt nach Meister Hastor. Er würde ihn gerne sehen und lässt Grüße durch mich bestellen. – Das ist doch sein Wagen?“
Nun etwas milder gestimmt, trat Helmine aus dem Wagen.
„Ja, ihr seid schon richtig. Hastor ist mein Mann und er wird der Bitte eures Hauptmanns sicherlich gerne nachkommen.“
Kelor, der damit seinen ersten Auftrag als erledigt ansah, drehte sich um und wollte bereits gehen, als Helmine ihn zurückrief.
„Nicht so schnell. Wo befindet sich euer Hauptmann denn zurzeit? Wie ihr sicher wisst, ist eure Stadt nicht gerade klein und wir sind nicht oft hier.“
Erkennend, dass es damit doch noch nicht erledigt war, seufzte Kelor innerlich und wandte sich erneut um. „Ich bringe euren Gatten natürlich gern zu ihm.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Hastor, der gerade von Willy zurückgekommen war, hatte den letzten Teil des Gesprächs schmunzelnd mit angehört. „Mir ist der Weg, sofern sich nicht allzu viel geändert hat und sich euer Hauptmann derzeit in seiner Amtsstube befindet, wohl bekannt.“ Dann rief Hastor lauter in Richtung Wagentür: „Syrill, Melton? Habt ihr Lust auf einen Besuch in der Stadt?“

Die Straßen von Weißenburg waren geschmückt mit bunten Girlanden und erleuchtet von Lampions und Lichterketten in denen Glühkäfer ihr buntes Licht verbreiteten. Rote, grüne und gelbe hell leuchtende Punkte schwirrten darin herum. Auch waren die Wege zum Abend mit allerlei Volk gefüllt. Man sah normale Bürger der unterschiedlichen Wohlstandsschichten, aber auch allerlei Exoten und Angehörige verschiedenster Rassen, die eindeutig einen längeren Weg hinter sich haben mussten. Weißenburg, wie auch die umliegende Gegend, war fast ausschließlich von Menschen besiedelt. Daher zogen fremdartige Besucher unter den einheimischen Bürgern sofort die Aufmerksamkeit auf sich.
Die meisten kannten zwar Geschichten von den riesenhaften Flusslandbewohnern oder den Steinhäutigen aus dem Osten, aber sie konnten kaum ihren Augen trauen, wenn dann leibhaftig ein solch für sie fabulöses Geschöpf vor ihnen stand.
„Schau mal Syl… dort. Hast du den blöden Blick gesehen? Und das nur wegen einem Unterirdischen. Ich frag mich, was der hier bei so einem Fest macht. Normalerweise sieht man die im Sommer doch nie außerhalb ihrer Höhlen.“
Melton plapperte mal wieder in einem fort. Alles was ihm auf ihrem Weg durch die Stadt auffiel, musste er auch sogleich kommentieren.
Die Brüder hatten ihr Glück kaum fassen können, als sie die Aufforderung ihres Vaters vernahmen, ihn zu begleiten. Fast hätte ihre Mutter dem Ganzen noch einen Strich durch die Rechnung gemacht, doch Hastor setzte sich schlussendlich durch.
Sie hatten sich durch überfüllte Straßen gekämpft und an geschäftstüchtigen Händlern vorbeigeschlängelt. Einer hatte Melton schon fast in seinen Süßwarenladen gezogen, doch Syrill trat dem aufdringlichen Verkäufer kurzerhand vors Schienbein, dass der vor Schmerz aufheulte. Hastor musste herzlich lachen, als er das verblüffte Gesicht des Mannes sah.
Als sie ein paar Häuser weiter waren und Hastor sich wieder beruhigt hatte, meinte er nur: „So ähnlich muss auch Dareck vor ein paar Nächten ausgesehen haben. Was hast du nur gegen Schienbeine?“
Syrill zuckte mit den Schultern: „Nichts, ich hab nur diesmal nicht getroffen. Bei Dareck war es das Knie.“

Endlich waren sie am Marktplatz angekommen. Zentral in der Mitte der Stadt, fand man hier auch die Ratshalle und die Verwaltungsgebäude. In einem von diesen hatte Hauptmann Chrasinius sein Amtszimmer. Er war seit über zehn Jahren der oberste Befehlshaber der Stadtwache und für die öffentliche Sicherheit der Stadt verantwortlich.
Der Marktplatz selbst war bereits übervoll mit Ständen und kleinen Wagen. Hastor erkannte schnell, dass es wohl eher schlecht für seine Truppe stand. Sie waren scheinbar, ein paar Tage zu spät eingetroffen. Die Ratsherren hatten ganze Arbeit geleistet, ihr Fest bekannt zu machen.
Überall sah man Schaulustige und Aussteller, die um deren Gunst und Gold buhlten. Man hätte meinen können, das Fest hätte bereits begonnen, obwohl die offizielle Eröffnung erst in zwei Tagen sein sollte. Musik klang aus allen möglichen Ecken, Feuerspucker erhellten den Platz und die Marktschreier verschafften sich so gut es ging ihre Aufmerksamkeit. Syrill und Melton waren schon auf vielen Festen und Jahrmärkten, aber eine so überfüllte Stadt war selbst ihnen neu.
„Wir gehen außen herum. Nicht mitten durch. Stände können wir immer noch später anschauen. Achtet aber trotzdem auf eure Beutel, ja?“
Syrill und Melton nickten. Syrill hatte schon die ganze Zeit eine Hand an seinem Beutel, den er um den Hals unter seinem Hemd trug. Es war nicht viel darin, aber das würde einen Dieb nicht interessieren, wenn er ihm eine gute Gelegenheit gab. Melton tat es ihm nun gleich, da er zuvor noch viel zu sehr abgelenkt war, um an seinen Beutel zu denken. Dann machten sie sich auf den Weg zum gegenüberliegenden Verwaltungsgebäude.

Weiter gehts am Wochenende.