Sonntag, 15. April 2012

3. Kapitel Teil 7 - Blut am Boden

„Rein da! Setz dich zu dem Jungen und sei still!“ Der schneidende Ton, mit dem der Mann sprach, zeigte deutlich, dass das Mädchen besser seiner Aufforderung nachkam und das Messer in der Hand, das Syrill jetzt sehen konnte, unterstrich dies noch. Der Mann schloss schnell die Tür des Zimmers und hielt dann sein Ohr daran.
„Es ist sonst niemand...“, wollte Selina gerade ansetzen, als der Mann mit wütendem Blick herumfuhr und eine Hand, zur Stille mahnend hoch schnellen lies.
Selina verstummte, rappelte sich dann auf und setzte sich, wie befohlen neben Syrill auf das Bett.
Der Mann legte noch einmal sein Ohr an die Tür und verharrte so mehrere Atemzüge. Er war nicht wirklich groß, wie Syrill nun sah, aber auch nicht besonders klein. Sein braunes Haar trug er so kurz geschnitten, dass es gerade eben, nicht von alleine stand. Mit einfachen, braunen Hosen in einem groben Stoff und einem leinenen, weit geschnittenen Hemd, das von einem schmalen kurzen Gürtel zusammengehalten wurde, war der Mann so gekleidet, dass er ebenso auf einem Hof hätte arbeiten können, wie er auch in eine Abdeckerei gepasst hätte. Ein einfacher Sack, den er schräg über den Rücken trug und dessen Trageriemen vorne über die Brust ging, war neben dem Messer scheinbar alles, was er im Moment bei sich hatte. Das Blasrohr konnte Syrill jedenfalls nicht mehr entdecken.
Syl sah auch kurz zu Selina, die nun still neben ihm saß und ohne Unterlass den Mann beobachtete, während ihre Hand möglichst unauffällig, scheinbar nach irgendetwas zwischen Matratze und Bettgestell tastete. Doch der Mann hatte wohl lange genug lauschend verbracht und drehte sich nun zu ihnen um.
„Wenn ich sage, du sollst dein dreckiges Maul halten, dann tust du das.“, sprach er in ruhigem Ton zu Selina. „Wenn ich dir sage, du sollst dich setzen, dann tust du das auch und wenn ich dir Fragen stelle - und nur dann, beantwortest du sie.“
Syrill fühlte sich in dem Moment, als ob er Luft für den Mann wäre. Dieser sah in weder an, noch hatte er den Eindruck, dass die Worte auch an ihn gerichtet gewesen seien, wenn sich Syrill auch sicher war, dass es besser wäre, ihnen trotzdem nachzukommen. Das entspannte die Situation jedoch, in keinster Weise, für den Jungen.
„Also Mädchen, mit etwas Glück, kann das Ganze hier noch gut für dich ausgehen. Wenn du mich nicht anlügst, kannst du heute Abend schon für den nächsten die Beine breit machen. Wenn nicht, kann es sein, dass du nur noch dem Geschmack von wirklich wenigen Gästen entsprechen wirst.“ Dabei lies er das dünne, lange Messer elegant und leicht über seine Finger tanzen, was Syrill eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Was wolltest du vorhin also sagen? Es ist niemand mehr...?“
Selina schien kurz zu zögern, dann antwortete sie: „Es ist niemand mehr da. Wir sind allein.“ Als der Mann eine Augenbraue hob und den Kopf leicht schief legte, fügte sie noch schnell hinzu: „In diesem Teil des Gebäudes. Wir sind hier allein.“
„Ah, eine gute Antwort. Ich sehe, du hast mich verstanden.“, nickte der Mann zustimmend und Syrill sah klar vor seinem geistigen Auge, wie der Mann sich – wohl wissend, dass sie eben nicht völlig allein waren – eine Lüge Selinas, mit einem Ohr oder ihrer Nase hätte bezahlen lassen.
„Was hat der Bengel dir erzählt?“
Syrill hoffte um Selinas Willen, dass sie nun nichts Falsches sagte, denn für sich selbst hatte er diese bereits aufgegeben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass auch er die Chance bekäme, nur Fragen beantworten zu müssen.
„Nichts, er hat mir gar nichts erzählt.“, erwiderte das Mädchen zaghaft.
Der Mann kam bedrohlich einen Schritt näher. „Wo wolltest du dann so schnell hin, als du mir in die Arme liefst? Warum hattest du es so eilig?“
„Er... der Junge war aufgewacht. Und unsere alte Gramil sagte, dass ich sie sofort holen solle, wenn das geschieht.“ Der Mann zog nur wieder eine Augenbraue hoch und Selina sprach sofort weiter. „Die alte Gramil ist unser guter Hausgeist. Sie putzt, wäscht und kennt sich auch mit allerlei Verletzungen aus. Sie hatte seine Wunden bereits mit Salbe und den Verbänden versorgt.“
Syrill war überrascht, wie scheinbar mühelos, ihr ihre Geschichte über die Lippen kam, wo sie ihm doch eben erst die Verbände selbst angelegt hatte.
„Nun gut Mädchen, dann geh und hol deine Alte mal her.“
Selina wirkte irritiert. „Wirklich? Ich meine... warum?“
„Sollst du Fragen stellen, oder einfach tun was ich sage?“ Der Ton des Mannes hatte wieder diese Schärfe, die keinen Widerspruch duldete.
Sie stand auf, schaute noch einmal traurig zu Syrill und ging dann langsam Richtung Tür. Er sah in ihren Augen, dass sie nicht erwartete, ihn noch einmal lebend zu sehen, wenn sie jetzt ging. Doch was dann kam, überraschte sie beide.
Selina hatte gerade den Mann passiert, als dieser plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung einmal hart zustach. Syrill schrie auf, aber da sackte das Mädchen bereits still zusammen. Ein hässlicher, roter Fleck breitete sich schnell, von der Mitte ihres unteren Rückens auf dem Stoff und ihrem Körper aus. Syrill sah das schöne Mädchen - wie verlangsamt und einem Déjà-vu gleich - zu Boden gehen und dort hart mit dem Kopf aufschlagen. Ihr linkes Bein zuckte noch kurz, dann bewegte sie sich nicht mehr - nur noch ihr Blut quoll auf den schmalen hellen Teppich, der dort lag.
„Zu schade. Mit ihr hätte man sicher einigen Spaß haben können.“ Fast klang es wie echtes Bedauern, wenn Syrill nicht so ein boshaftes Lächeln die Lippen des Mannes umspielen gesehen hätte.
„So, mein Kleiner. Nun zu uns beiden.“ Langsamen Schrittes kam der Mann auf Syl zu.

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