Mittwoch, 26. Oktober 2011

1. Kapitel Teil 14 - Glutaugen

Bei dieser Frage verschluckte sich Syrill und auch Melton ließ überrascht den Löffel sinken. Es dauerte einen Moment, ehe sich Syrill wieder im Griff hatte und er griff gierig nach seinem Becher mit Wasser.
„Alles in Ordnung Junge?“, fragte Margot besorgt. „Margit, hol doch noch mal Wasser aus dem Eimer, der Junge ist ja ganz rot im Gesicht.“
„Nein, nein. Es geht schon wieder. Danke. Hatte nur den Mund zu voll.“, krächzte Syrill angestrengt. Um nichts wollte er zulassen, dass das soeben begonnene Gesprächsthema wechselte.
Die Erwachsenen sahen ihn noch einen Moment an, doch als er wieder zu seinem Löffel griff, als ob nichts gewesen sei, kam das Gespräch wieder in Gang. Scheinbar war auch Hastor an diesem Thema interessiert.
„Was fragtet ihr gerade? Von was für Glutaugen spracht ihr?“
„Nun, wir nennen sie die Glutaugen. Sicher nennt man sie an anderen Orten anders. Der wahre Name ist uns jedoch unbekannt. Bisher sahen wir sie immer einzeln. Sie sind alle ähnlich verhüllt gekleidet, als ob sie zu einem Glaubensorden gehören und ihre Augen leuchten wie glühender Stahl, während ihre Haut ungesund grau erscheint. Scheinbar tauchen sie auch an anderen Orten auf, doch meistens bleiben sie nicht lange.“
„Und was machen sie, wenn ihr sie seht?“, fragte Hastor weiter. Syrill war entsetzt, dass es mehr von diesen Wesen geben sollte und dass diese auch noch so verbreitet schienen. Vor letzter Nacht hatte er nicht einmal gewusst, dass es diese Kreaturen überhaupt gab.
„Nun, nicht viel. Entweder sie ziehen nur durch den Ort, oder sie stehen schweigend an irgendeiner Weggabelung. So, als wüssten sie nicht, wohin sie sich wenden sollen, oder als ob sie auf etwas warteten. Jedem, der sich ihnen näherte und sie ansprechen wollte, machten sie unmissverständlich mit funkelnden Augen klar, dass er es besser lassen sollte. – Und das Funkeln meine ich hierbei wortwörtlich.“
Melton sah seinen Vater an und wartete gespannt, was dieser nun erwiderte. Würde er von den gestrigen Ereignissen berichten?
Doch er tat es nicht. „Nein Juron, von diesen Geschöpfen haben wir in den übrigen Ländereien unserer Reise nichts gehört, geschweige denn gesehen. Da wir allerdings viel im Süden waren, kommen sie vielleicht aus dem Norden.“
„Nun, das könnte natürlich sein!“, und mit diesen Worten verließen sie das Thema, um wieder – zumindest, was die Jungen betraf – über weit Uninteressanteres zu sprechen. Der Abend zog sich noch ein ganzes Stück dahin. Jurons Wissbegierde schien kaum zu stillen und irgendwann gab Helmine mit einem deutlichen und lauten Gähnen zu verstehen, dass es Zeit zum Aufbruch war.
Nachdem man sich verabschiedet hatte, ging es schnellen Schrittes zurück zum Lager. Dort war schon Ruhe eingekehrt, scheinbar benötigte jeder etwas Zeit für sich, um den frischen Verlust ihres Kameraden zu verarbeiten.
„Warum hast du gelogen?“, fragte Melton, kaum dass sie ihren Wagen betreten hatten.
Er wollte endlich verstehen, was hier vor sich ging.
„Hab ich das?“, antwortete Hastor mit einer hoch gezogenen Augenbraue.
„Nein, hast du nicht.“, mischte sich Syrill ein. Sie hatten tatsächlich in keiner der bisherigen Ländereien von diesen Glutaugen gehört, oder etwas gesehen. Syrill war diese Feinheit sofort aufgefallen. „Aber Mel wollte sicherlich auf was anderes hinaus.“
„Das denk ich mir. Was meinst du selbst, Melton? Warum war ich nicht offen zu unseren Gastgebern?“
Melton zuckte mit den Achseln. „Du traust ihnen nicht?“
„Ganz genau. Wenn mich bisher etwas vor Schwierigkeiten bewahrt hat, dann, dass ich mit fanatisch Gläubigen vorsichtig bin. Du kannst nie wissen, was in so jemandem wirklich vorgeht. Merkt euch das, alle beide!“
Melton und Syrill nickten.

Das weitere Gespräch dauerte nicht mehr lange. Zu oft hatte man am Tag die Ereignisse immer wieder durchgekaut und der heutige Abend hatte fast nur neue Fragen aufgeworfen. Helmine drängte wieder sehr bestimmt, endlich die Lampe zu löschen und zu schlafen. Doch trotz der tröstlichen Dunkelheit, hingen alle noch alleine ihren Gedanken nach und es dauerte sehr lange, bis auch endlich Syrill wieder als Letzter einschlief.

Die Gruppe blieb noch einen Tag. Willy hatte sich dazu entschlossen, seinen Bruder hier bestatten zu lassen und die Trauerfeier fand noch am selben Nachmittag statt. Es war ein ganz eigener Ritus, stark auf den Gott der Erde ausgerichtet, doch sehr ergreifend. Eingewickelt in Leinentücher und zuvor rituell gewaschen, wurde Chester etwas außerhalb des Dorfes begraben. Die Gruppe war überrascht, wie viele der Dorfbewohner sich von ihrem Tagewerk abhalten ließen und stattdessen an der Trauerfeier teilnahmen.
Nach Weißenburg brachen sie am nächsten Morgen auf.

Heute ein etwas kürzerer Teil, da das erste Kapitel hier endet. Das zweite Kapitel beginnt am Wochenende.

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