Sonntag, 23. Oktober 2011

1. Kapitel Teil 13 - Abendessen mit Juron

Nachdem Syrill einen vollen Eimer aus dem Brunnen in der Ortsmitte empor gezogen hatte, wuschen sich die Brüder stumm den Staub der trockenen Straße von ihrer Haut. Beiden stand nicht der Sinn danach, sich wie sonst gegenseitig nass zu spritzen.
„Braucht ihr noch lange?“
Syrill drehte sich um. Er hatte gerade den Kopf in den Eimer gesteckt, als sich ihm von hinten jemand unbemerkt genähert hatte. Sich das Wasser aus den Augen reibend, konnte er ein junges Mädchen erkennen, das ebenfalls mit einem Eimer in der Hand, hinter ihnen stand. Das Mädchen schien etwas älter zu sein. Ein, zwei Sommer vielleicht und wirkte ungeduldig. Sie trug ein einfaches, braunes Kleid und hatte lange, rote Haare, die zu einem Zopf geflochten waren.
Statt einer Antwort tauchte Syrill seinen Kopf erneut in den Eimer des Brunnens.
„He, ich hab was gefragt.“
„Wir sind gleich soweit.“, antwortete Melton.
Nachdem Syrill den Kopf erneut, aus dem bereits schmutzigen Wasser gezogen hatte, entgegnete er trocken: „Der Brunnen gehört nun ganz dir.“ Er trat einen Schritt zurück und schüttelte sich, dass die Tropfen aus seinem Haar nur so spritzten.
Das Mädchen beschaute sich die Brühe in dem Eimer und verzog angewidert die Mundwinkel.
„Das hättest du wenigstens ausleeren können. Andere wollen hieraus noch trinken.“
„Kannst du doch. Das ist nur etwas von eurer feinen Erde hier.“
Melton war überrascht über Syrills unfreundliche Worte. Zu Fremden sprach sein Bruder selten so.
Wortlos nahm das Mädchen den halbvollen Eimer und leerte ihn den Jungen vor die Füße, wo das Wasser sofort, von dem staubigen Boden aufgesogen wurde. Danach ließ sie den Kübel an dem langen Seil tief zum Grund hinab, um ihn danach ächzend wieder herauf zu ziehen.
„Warte, lass mich das machen.“, sprang Melton ihr zu Hilfe, doch sie lehnte ruppig ab.
„Lass! Ich kann das alleine. Sonst brauch ich auch niemanden.“
Mit erhobenen Händen trat Melton einen Schritt zurück. „Wie du meinst, ich wollte nur helfen.“
„Mel, vergiss es. Manchen kann man nicht helfen.“
Syrill einen bösen Blick zuwerfend, füllte das rothaarige Mädchen den Inhalt in den Eimer, den sie mitgebracht hatte und schleppte diesen dann, ohne ein weiteres Wort hinfort.
Kopfschüttelnd machten sich auch die beiden Brüder auf den Weg zurück zum Lager.
Das Dorf war wirklich klein und bestand nur aus wenigen Häusern. Die meisten Gebäude waren aus einfachen Mitteln erbaut, wie sie hier in der Umgebung vorkamen. Viel Holz und wenig Steine. Die meisten Dächer waren mit dicken Lagen Schilf gedeckt, die zu engen Bündeln geschnürt waren. Ton und Lehm waren hier selten.
Als sie die Wagen vor dem Dorf erreichten, hatte sich gerade die Truppe versammelt, um gemeinsam ihr Abendbrot einzunehmen. Nach dem mehr als üppigen Mahl des letzten Abends, fiel es dieses Mal wieder so karg wie üblich auf Reisen aus. Die Frauen hatten einen Eintopf aus Trockenfleisch und verschiedenem haltbaren Wurzelgemüse zubereitet. Es war in der Hitze des Sommers immer schwierig, für die Frische von Lebensmitteln zu sorgen.
Hastor und Helmine erwarteten die Jungen bereits. Sie standen gerade bei Khalid und seiner Gefährtin Chalise. Die beiden hatten eine Schlangennummer und waren begnadete Musiker. Wenn der dunkelhaarige Khalid die bildschöne Chalise auf seiner Maholzflöte begleitete und sie ihre zarte Stimme zu ihren Bewegungen erklingen ließ, sorgte dies regelmäßig für angehaltenen Atem bei den Männern und neidvolle Blicke bei den Frauen. Die fast schwarze Haut und die mandelförmigen Augen des Paares taten durch ihre Exotik das Übrige. In den Gegenden, in denen die Gruppe, seit nun etwa zwei Jahren unterwegs war, gab es nicht viele Menschen von dieser Hautfarbe.
Melton hatte sich schon öfters gefragt, wie die Reaktionen hier wohl wären, wenn Lumid noch bei ihnen wäre. Seine schuppige Echsenhaut und die lange, ständig zischelnde Zunge wären bestimmt sehr interessant gewesen. ‚Schade, dass es der Echse in dieser Gegend zu viele kalte Tage gab’, dachte sich Melton wieder einmal.
„Seid ihr soweit?“, fragte Hastor seine beiden Söhne. Die beiden nickten. „Gut.“ Dann wandte er sich an Khalid. „Du weißt, wo wir sind. Wenn etwas sein sollte, dann holt uns. Und schaut ein wenig nach Willy. Ich weiß, dass zwar gerade Dareck und Marius bei ihm sind, aber ein wenig andere Gesellschaft, kann sicher nicht schaden.“
Khalid und Chalise nickten.
Anschließend machte sich Hastors Familie auf den Weg zu Jurons Haus. Dort angekommen, wurden sie auch schon erwartet. Juron führte sie sogleich in die große Küche, die auch zugleich als Speiseraum diente. Eine Frau stand noch am Herd und würzte gerade einen letzten Topf, als sie den Raum betraten. Ein gut gedeckter Tisch mit allerlei dampfenden Feldfrüchten, verströmte einen aromatischen Duft. Jedes Gemüse war mit einer anderen Soße übergossen und alles sah überaus köstlich aus.
„Dies ist mein Weib Margot. Sie hat uns Aschtars köstliche Gaben zubereitet.“ Die Frau, die ein einfaches Gewand trug, wischte sich schnell die Hände an der Schürze ab, die sie darüber umgebunden hatte. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und verneigte sich leicht, wie es bei den Frauen in dieser Gegend zur Begrüßung üblich war. Sie hatte ein ebenso freundliches, wie auch vom Wetter und der Arbeit auf dem Feld gegerbtes Gesicht, wie ihr Mann. Die lederne Haut und die tiefen Furchen, machten es sehr schwierig ihr Alter zu bestimmen, doch war sie wohl ein paar Jahre jünger als Juron. Nachdem auch Hastor seine Familie vorgestellt hatte, ging plötzlich eine Tür hinter ihnen auf.
„Ach, da kommt auch schon unsere Tochter mit dem Wein. Komm her Liebes und begrüß unsere Gäste.“ Das Mädchen trug ein braunes Kleid und hatte lange rote Haare, die zu einem Zopf geflochten waren. In den Händen hielt sie einen großen hölzernen Krug. Syrill und Melton sahen sich überrascht an. Es war das Mädchen vom Brunnen.
Schnell stellte sie den Wein auf dem Tisch ab und machte es dann der Geste ihrer Mutter nach, indem sie die Arme verschränkte und sich leicht verbeugte. Allerdings zeigten ihre Hände dabei zum Boden und lagen nicht vor der Brust. Ein Zeichen, dass sie noch unvermählt war. Als der Blick des Mädchens auf Syrill und Melton fiel, verzog sich leicht ihr Gesicht und ihre Augen blitzten auf. Doch sie hatte ihre Überraschung schnell wieder im Griff.
„Das ist Margit, unser Sonnenschein.“, stellte Juron seine Tochter vor.
Syrill entfuhr ein unterdrücktes Schnauben, als er ‚Sonnenschein’ vernahm, was ihm einen tadelnden Blick von seiner Mutter und einen Rempler von Melton einbrachte. Doch Juron und seine Frau hatten offenbar nichts bemerkt. Nur das junge Mädchen funkelte ihn weiter böse an, während ihr Vater erklärte: „Dies sind unsere Gäste von der Wandergruppe, Margit. Hastor mit seiner Frau Helmine und ihre beiden Söhne Melton und Syrill.“
Nachdem endlich alle Formalitäten erledigt waren, setzten sich die beiden Familien an den Tisch. Das Geschirr, wie auch der größte Teil des Raums bestand aus einfachem Holz, das jedoch mit schönen Schnitzereien verziert war.
„Habt noch einmal Dank für eure Einladung, Juron.“, sprach Hastor nachdem Juron einen Tischsegen zu Ehren Aschtar aufgesagt und sich alle von den Speisen genommen hatten.
„Nun, wie schon erwähnt, geschah dies mit einem gewissen Eigennutz.“, entgegnete dieser zwischen zwei Bissen. „Erzählt uns von euren Reisen und was auf Aschtars Feldern sonst so vor sich geht.“
Hastor tat ihm also diesen Gefallen und berichtete, wo sie in der letzten Zeit überall gewesen waren und wie in den jeweiligen Städten die Lage war. Juron hörte aufmerksam zu und stellte auch immer wieder Fragen zu der dortigen Verehrung ihres Gottes und anderen kulturellen Dingen. Er war scheinbar wirklich sehr interessiert, was überall vor sich ging und kam nach eigenen Aussagen nur wenig herum. Dies war für einen Bauer auch nicht sonderlich verwunderlich, nur von der ständigen Erwähnung des Gottes der Erde und Natur war Hastor irritiert. Er wusste zwar, dass alle Bauern Aschtar verehrten, aber in dieser Intensität, hatte er es noch nie erlebt.
Auch gaben sich die meisten Bauern nicht nur mit einem Gott zufrieden. Meistens ging dies mit der Ergebenheit für Heavon einher, dem der Himmel und das Wetter untertan waren.
Syrill war gespannt, ob sein Vater auch von den Vorkommnissen der letzten Nacht erzählen würde. Dem restlichen Gespräch folgte er nur mit einem Ohr und genoss stattdessen das delikate Essen, bis…
„Und in wie weit sind in den übrigen Provinzen die Glutaugen unterwegs?“

Weiter geht es hier am Mittwoch.

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