Mittwoch, 2. November 2011

2. Kapitel Teil 2 - In der Stadt

„Es ist unerhört!“, polterte Kelors Vorgesetzter. In seiner Amtsstube war er nicht allein. Mit einem Becher Wein in der Hand saß Meister Berelon bei ihm und hatte ihn soeben von der letzten Eintragung unterrichtet.
„Wieso weiß ich nichts von dieser Katze, Kelor? Hatte ich nicht angeordnet, mich umgehend über alle ungewöhnlichen Besuchern zu unterrichten?“
Nervös trat der junge Mann von einem Bein aufs andere.
„Mein Herr, ich kann mich nur wiederholen. Ich teilte euch alle mit, die mir dessen nötig erschienen. Diese Katze kam nicht durch mein Tor. Vielleicht geschah dies vor meiner Schicht, oder bei einem der anderen Tore.“
Kelor hatte den Eindruck, dass er mehr als ungelegen gekommen war. Kaum, dass er den Raum, nach einem unwirschen ‚Herein’ betreten hatte, wurde ihm dies sehr deutlich gemacht. Sein Hauptmann fiel sofort über ihn her, als ob Kelor allein für alle Tore verantwortlich wäre.
Die Schimpftirade dauerte noch eine Weile an, bis er endlich entlassen wurde. Schon fast bei der Tür, fiel ihm wieder ein, weshalb er eigentlich gekommen war. Kelor drehte sich um und bat ums Wort.
„Was ist denn noch?“, fragte sein Vorgesetzter gereizt.
„Es kam jemand an, über den ich euch unterrichten soll. Ich möge euch Grüße von einem Meister Hastor überbringen. Er lässt fragen, ob noch Platz auf dem Markt für seine Wagen sei. Ihr würdet ihn und seine Truppe kennen. Zurzeit haben sie noch vor der Stadt Quartier bezogen und befinden sich bei den übrigen Zelt- und Wagenbesuchern.“
Sofort gnädiger gestimmt, gab Hauptmann Chrasinius seinem Untergebenen Anweisung Hastor herbei zu rufen. Er schien über dessen Ankunft wirklich erfreut. Als Kelor jedoch noch immer keine Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen, zog der Hauptmann fragend eine Augenbraue nach oben.
„Ähm, das ist noch nicht alles. Wir hatten noch einen Ankömmling.“

Mit hochrotem Kopf und von Verwünschungen begleitet eile Kelor schnellstens durch die Tür. Das war es dann wohl mit dem Badehaus. Dieser Hastor blieb nicht sein einziger Zusatzauftrag für diesen Abend. Zumindest kam er so vielleicht doch noch zu Alef Eintopf.

* * *

Melton quengelte. „Aber warum denn nicht? Wir gehen ja auch nicht allein.“, versuchte er seine Mutter von einem Besuch in der Stadt zu überzeugen. „Marius und Dareck wären doch bei uns. Bitte.“
Seine Mutter blieb hart. „Nein, morgen ist noch genug Zeit. Allein am Abend ist das nichts für Kinder und ich kann mir kaum vorstellen, dass die beiden wirklich Lust haben, gleich am ersten Abend euch am Bein zu haben. Wissen Dareck und Marius überhaupt, zu was du mich hier zu überreden versuchst?“
Melton schmollte, er war sich sicher, dass die beiden Freunde nichts dagegen haben würden, wenn er und Syrill sie begleiteten. Bei was könnten sie schon stören?
Er wollte gerade von neuem ansetzen, als es klopfte und eine unbekannte Stimme nach Hastor rief.
Helmine öffnete und erblickte einen jungen Mann, der die Uniform der Stadtwache trug.
„Ja? Was wollt ihr?“ Ihre Stimme verriet keinerlei Respekt vor der Uniform, was noch von ihrer erhöhten Position aus dem Wagen unterstrichen wurde. Der junge Kelor, der das zu seinem Leidwesen durchaus gewohnt war, antwortete ihr freundlich: „Mein Hauptmann Chrasinius schickt nach Meister Hastor. Er würde ihn gerne sehen und lässt Grüße durch mich bestellen. – Das ist doch sein Wagen?“
Nun etwas milder gestimmt, trat Helmine aus dem Wagen.
„Ja, ihr seid schon richtig. Hastor ist mein Mann und er wird der Bitte eures Hauptmanns sicherlich gerne nachkommen.“
Kelor, der damit seinen ersten Auftrag als erledigt ansah, drehte sich um und wollte bereits gehen, als Helmine ihn zurückrief.
„Nicht so schnell. Wo befindet sich euer Hauptmann denn zurzeit? Wie ihr sicher wisst, ist eure Stadt nicht gerade klein und wir sind nicht oft hier.“
Erkennend, dass es damit doch noch nicht erledigt war, seufzte Kelor innerlich und wandte sich erneut um. „Ich bringe euren Gatten natürlich gern zu ihm.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Hastor, der gerade von Willy zurückgekommen war, hatte den letzten Teil des Gesprächs schmunzelnd mit angehört. „Mir ist der Weg, sofern sich nicht allzu viel geändert hat und sich euer Hauptmann derzeit in seiner Amtsstube befindet, wohl bekannt.“ Dann rief Hastor lauter in Richtung Wagentür: „Syrill, Melton? Habt ihr Lust auf einen Besuch in der Stadt?“

Die Straßen von Weißenburg waren geschmückt mit bunten Girlanden und erleuchtet von Lampions und Lichterketten in denen Glühkäfer ihr buntes Licht verbreiteten. Rote, grüne und gelbe hell leuchtende Punkte schwirrten darin herum. Auch waren die Wege zum Abend mit allerlei Volk gefüllt. Man sah normale Bürger der unterschiedlichen Wohlstandsschichten, aber auch allerlei Exoten und Angehörige verschiedenster Rassen, die eindeutig einen längeren Weg hinter sich haben mussten. Weißenburg, wie auch die umliegende Gegend, war fast ausschließlich von Menschen besiedelt. Daher zogen fremdartige Besucher unter den einheimischen Bürgern sofort die Aufmerksamkeit auf sich.
Die meisten kannten zwar Geschichten von den riesenhaften Flusslandbewohnern oder den Steinhäutigen aus dem Osten, aber sie konnten kaum ihren Augen trauen, wenn dann leibhaftig ein solch für sie fabulöses Geschöpf vor ihnen stand.
„Schau mal Syl… dort. Hast du den blöden Blick gesehen? Und das nur wegen einem Unterirdischen. Ich frag mich, was der hier bei so einem Fest macht. Normalerweise sieht man die im Sommer doch nie außerhalb ihrer Höhlen.“
Melton plapperte mal wieder in einem fort. Alles was ihm auf ihrem Weg durch die Stadt auffiel, musste er auch sogleich kommentieren.
Die Brüder hatten ihr Glück kaum fassen können, als sie die Aufforderung ihres Vaters vernahmen, ihn zu begleiten. Fast hätte ihre Mutter dem Ganzen noch einen Strich durch die Rechnung gemacht, doch Hastor setzte sich schlussendlich durch.
Sie hatten sich durch überfüllte Straßen gekämpft und an geschäftstüchtigen Händlern vorbeigeschlängelt. Einer hatte Melton schon fast in seinen Süßwarenladen gezogen, doch Syrill trat dem aufdringlichen Verkäufer kurzerhand vors Schienbein, dass der vor Schmerz aufheulte. Hastor musste herzlich lachen, als er das verblüffte Gesicht des Mannes sah.
Als sie ein paar Häuser weiter waren und Hastor sich wieder beruhigt hatte, meinte er nur: „So ähnlich muss auch Dareck vor ein paar Nächten ausgesehen haben. Was hast du nur gegen Schienbeine?“
Syrill zuckte mit den Schultern: „Nichts, ich hab nur diesmal nicht getroffen. Bei Dareck war es das Knie.“

Endlich waren sie am Marktplatz angekommen. Zentral in der Mitte der Stadt, fand man hier auch die Ratshalle und die Verwaltungsgebäude. In einem von diesen hatte Hauptmann Chrasinius sein Amtszimmer. Er war seit über zehn Jahren der oberste Befehlshaber der Stadtwache und für die öffentliche Sicherheit der Stadt verantwortlich.
Der Marktplatz selbst war bereits übervoll mit Ständen und kleinen Wagen. Hastor erkannte schnell, dass es wohl eher schlecht für seine Truppe stand. Sie waren scheinbar, ein paar Tage zu spät eingetroffen. Die Ratsherren hatten ganze Arbeit geleistet, ihr Fest bekannt zu machen.
Überall sah man Schaulustige und Aussteller, die um deren Gunst und Gold buhlten. Man hätte meinen können, das Fest hätte bereits begonnen, obwohl die offizielle Eröffnung erst in zwei Tagen sein sollte. Musik klang aus allen möglichen Ecken, Feuerspucker erhellten den Platz und die Marktschreier verschafften sich so gut es ging ihre Aufmerksamkeit. Syrill und Melton waren schon auf vielen Festen und Jahrmärkten, aber eine so überfüllte Stadt war selbst ihnen neu.
„Wir gehen außen herum. Nicht mitten durch. Stände können wir immer noch später anschauen. Achtet aber trotzdem auf eure Beutel, ja?“
Syrill und Melton nickten. Syrill hatte schon die ganze Zeit eine Hand an seinem Beutel, den er um den Hals unter seinem Hemd trug. Es war nicht viel darin, aber das würde einen Dieb nicht interessieren, wenn er ihm eine gute Gelegenheit gab. Melton tat es ihm nun gleich, da er zuvor noch viel zu sehr abgelenkt war, um an seinen Beutel zu denken. Dann machten sie sich auf den Weg zum gegenüberliegenden Verwaltungsgebäude.

Weiter gehts am Wochenende.

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