Mittwoch, 9. November 2011

2. Kapitel Teil 4 - Drachenodem

Alef zapfte erneut zwei Bier und stellte dazu je zwei kleine gläserne Gläser vor Kosch und Kelor, doch dieser lehnte sofort ab.
„Nein, nein, Alef. Bleib mir fort mit deinem Fusel. Ich hab dein Gesöff schon mal ertragen.“ Mit Schaudern dachte der junge Mann an seinen ersten Abend im Dienst der Stadtwache. Während einer Art Initiationsritus war auch der Drachenodem auf den Tisch gekommen und dieser war weder ihm, noch einem seiner anderen Jungkameraden sonderlich gut bekommen.
„Schenk ein Wirt, dann bleibt mehr für mich.“ Der Zwerg zog sich auch die beiden Getränke von Kelor vor die Nase, die gerade so über den Tresen reichte.
Doch dieser war gespannt, ob der Zwerg auch nur sein eigenes zweites Glas leeren würde.
In der Zwischenzeit hatten auch andere Gäste, das sich anbahnende Schauspiel bemerkt und eine kleine Traube, um den ungewöhnlichen Besucher gebildet.
„Gebt Acht, Herr Zwerg. Was von meinem Drachenodem eingeschenkt wird, muss auch getrunken werden. Stehend. Ich gebe Euch alle vier Runden aus, doch fließt auch nur ein Tropfen davon, nicht eure Kehle hinab, zahlt ihr mir die doppelte Menge des normalen Preises. Das Gleiche gilt, wenn ihr Euch nach dem Letzten, nicht mehr auf den Beinen befinden solltet.“
Kelor beobachtete Kosch. Er sah, dass auch der Zwerg offenbar, die Sache nun doch etwas genauer bedachte. Mit wachsamem Blick hatte dieser die Menge um sich herum erfasst und auch bemerkt, dass an Alefs Getränk wohl doch etwas mehr sein könnte, als er zu Anfang angenommen hatte.
„Herr Wirt, das klingt annehmbar. Doch der Terz, den ihr um euer Wässerchen macht, macht mich wiederum etwas stutzig. Ich schlage also vor, dass mir die ganze Flasche samt Inhalt zusteht, sollte ich eure vier Gläser leeren.“
Nun war Kelor gespannt. Die Flasche war groß und noch halb voll und normalerweise verlangte Alef pro Glas ein kleines Vermögen. Ob der Inhalt das wirklich wert war, wusste er natürlich nicht. Auch nicht, wie leicht es Alef fiele eine neue Flasche zu besorgen.
Der Wirt mochte dies ebenfalls bedenken, doch schlussendlich sagte er „Abgemacht!“ und hielt dem Zwerg die Hand hin, in welche dieser einschlug.
Theatralisch baute Alef nun, die vier kleinen Gläser vor Kosch auf. Danach nahm er seine Flasche mit dem Drachenoden und schwenkte sie leicht hin und her, bis sich ein Wirbel in der Flüssigkeit bildete. Mit großen Augen und begleitet von den 'Ohs' und 'Ahs' mancher Gäste, sah Kosch dabei, eine Art rotes Leuchten, das von dem Wirbel ausging. Alef entfernte den Glasstöpsel und eine kleine Rauchsäule stieg aus der Flasche. Kosch bemerkte, dass es im Lokal ungewöhnlich ruhig geworden war. Scheinbar hatten sie die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
Alef schenkte nun etwas in die Gläser. Er ging dabei äußerst umsichtig zu Werke und lies sich viel Zeit. Zu viel Zeit für Koschs Geschmack, wie er mit ruppiger und lauter Stimme verlauten lies: „Jetzt mach schon hinne, Wirt. Meine Kehle ist schon wieder trocken.“
Endlich war Alef fertig. „Dann bedient Euch, wenn ihr so durstig seid.“
Kosch griff beherzt zu. Das Glas fühlte sich ungewöhnlich warm an und ein schwefliger Duft stieg dem Zwerg in die Nase, wie er ihn nur aus Höhlen kannte, die noch vom glühenden Blut der Erde durchströmt waren. In einem Zug kippte er das erste Glas hinab.
Gebannt starrten ihn die Umstehenden an, als ob er sich gleich vor ihren Augen in einen Riesen oder gar Drachen verwandeln würde.
Zuerst geschah nichts, doch dann bemerkte Kosch ein leichtes Ziehen und Drücken in seiner Magengegend. ...Und im nächsten Moment schien sein Mund, die Speiseröhre und sein restliches Inneres, das mit dem Drachenodem in Berührung gekommen war, zu explodieren. Er verspürte ein unglaubliches Brennen, wie er es nur von einem Kraut her kannte, mit dem die Zwerge in kleinen Dosen ihr Essen würzten. Allerdings war das hier, um ein Vielfaches schärfer.
Jetzt verstand er, warum der Wirt das Zeug Drachenodem nannte.
„Nun, Herr Zwerg? Wie mundet Euch mein Wässerchen? Ist das nicht ganz nach Eurem Geschmack?“, fragte Alef mit süffisantem Grinsen.
Kosch hörte vereinzeltes Kichern um sich herum und Getuschel, als Gäste, die den Drachenodem selbst schon einmal versucht hatten, ihren Nachbarn erklärten, was daran so besonders war. Antworten konnte er nicht.
Alef schien den Ausdruck in dem Gesicht des Zwergs zu genießen. Erneut stichelte er. „Warum so still? Dieser eine Schluck kann doch nicht schon Euren ganzen Durst gelöscht haben? Hier!“, und schob damit das zweite Glas vor die Nase des Zwerges.
Kosch nahm das Glas. Noch nie hatte er vor einem Getränk kapituliert. Noch dazu verspürte er deutlich, dass das Zeug auch einiges an Alkohol in sich hatte. Mit der Hoffnung, dass der seinen Magen später, das Brennen vergessen machen würde, wenn er nur genug davon trank, kippte er auch dieses.
Der Zwerg keuchte. Tränen in den Augen ließen ihn den Wirt nur noch schemenhaft erkennen, doch er war sich dessen Feixen sicher.
„Oho, ein mutiger Bursche, unser kleiner Freund hier. Ich werde doch nicht noch meine ganze Flasche an ihn verlieren?“ Alef unterhielt mehr das Publikum, als dass er wirklich mit Kosch sprach – was diesem nur recht war. Seine Därme rebellierten und ihm schwante bereits vor dem nächsten Schluck. Er nahm sich das Glas.
Feuer! So fühlte es sich an. Er war sich sicher, dass seine Zunge bereits eine einzige Brandblase war und auch sein Hals, dem Atmen nach, so langsam zuschwoll. Kosch musste sich am Tresen festhalten um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Aber seine Eingeweide schienen sich so langsam, mit dem Zustand abgefunden zu haben. Entweder das, oder sie waren weg gebrannt. Zumindest spürte er sie nicht mehr.
Ein letztes, kleines Glas stand vor ihm, und Kosch, Erster der Felsenschmetter vom Clan der Felsenschmetter, dachte ernsthaft darüber nach, es abzulehnen. Auch war er sich nicht sicher, ob sein Kreislauf ein weiteres Glas, dieses dämonischen Gesöffs, vertragen würde.
„Lasst es stehen. Ihr zahlt mir auch nur den einfachen Satz. Bestimmt werden noch andere Gäste neugierig geworden sein und mir euren mutigen Versuch mehr als vergelten.“
Doch mit diesem, nur halblaut geraunten Ausspruch, hatte Alef genau das Gegenteil von dem erreicht, was er gerne hätte.
„Jeder Tropfen meine Kehle hinab?“ Kosch nahm das letzte Glas, hielt es triumphierend in die Höhe und kippte es in einer flinken Bewegung... in seinen frischen Bierkrug, der noch immer vor ihm stand. Es zischte und blubberte kurz, als wenn man glühenden Stahl in ein Wasserbad tauchte, worauf sich das Bier leicht bläulich verfärbte.
Alef protestierte: „He, so war das aber nicht gemeint. Ihr könnt doch nicht...“
„Jeder Tropfen!“, und Kosch sog den Krug erneut auf einen Zug leer.
Sein Mund brannte zwar auch jetzt, doch mehr durch die Flüssigkeit des Biers, als durch den verdünnten Drachenoden. Dazu hatte das Ale einen angenehmen Beigeschmack erhalten, wie Kosch fand.
„Hmm, gar nicht so schlecht diese Bierwürzsoße, das gibt dem Ale die richtige Note. Noch einen Humpen und vergiss meine Flasche nicht.“
Die Gäste johlten. Lauter Applaus quittierte Koschs kleinen Trick und lies Alef gar keine andere Wahl, als beides mit zerknirschtem Gesicht vor den Zwerg zu stellen.
Kosch drehte sich darauf zu Kelor. „So, mein junger Freund. Und jetzt wird einer gehoben.“

Den nächsten Teil könnt ihr am Wochenende hier lesen.

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