Sonntag, 13. November 2011

2. Kapitel Teil 5 - Ein Glücksfall

„Es freut mich außerordentlich Euch wieder bei uns begrüßen zu dürfen, alter Freund.“ Hauptmann Chrasinius schüttelte überschwänglich Hastors Hand. „Und wie ich sehe, bringt Ihr Unterstützung mit.“ Mit einem freundlichen Lächeln nickte der Hauptmann den beiden Jungen zu.
„Das sind Syrill und Melton. Meine beiden Söhne.“ Chrasinius musterte sie aufmerksam. „Sie sind zum ersten Mal in eurer schönen Stadt und das, auch noch gleich zu solch einem Fest. Ich muss Euch wirklich ein Lob aussprechen. Eure Ausrufer haben scheinbar wahrlich, vorzügliche Arbeit geleistet, bei derart vollen Straßen. Auch euer Marktplatz scheint bereits bestens bestückt zu sein.“
„Wohl wahr, wohl wahr. Aber setzt euch doch erst einmal.“
Hastor und die Jungen kamen der Aufforderung nach und setzten sich auf ein bequemes Sofa neben dem Kamin, auf das der Hauptmann gewiesen hatte. Er selbst nahm in einem hohen Ohrensessel, ihnen gegenüber Platz. Auf einem kleinen Tisch, in der Mitte der Sitzgruppe standen noch Becher und Wein von vorherigem Besuch.
„Ihr habt Recht. Die Ausrufer waren tatsächlich sehr erfolgreich. Doch nicht auf meinen Wunsch, da dürft Ihr euch versichert sein. Diese Ehre gebührt allein dem Rat der Herrschaftshäuser. Mir selbst war der Zulauf des bisherigen Festes mehr als ausreichend. Wie Ihr euch sicher denken könnt, bietet solch ein Ereignis für die Stadtwache eher wenig Grund zum Feiern und bedeutet nichts als Arbeit und Ärger.“ Hastor nickte verständnisvoll, ohne zu unterbrechen.
„Prügeleien zwischen Besoffenen und die Vielzahl kleiner Diebereien sind nur die Spitze der Lanze. Der Rat hat sehr konkrete Vorstellungen, wie sein Fest abzulaufen hat und möchte penibelst über völlig unwichtige Vorkommnisse informiert sein, sodass ich derzeit mehr mit Berichten beschäftigt bin, als ich es in meiner ganzen bisherigen Amtszeit zusammen war.“ Chrasinius war während seinen Ausführungen noch einmal aufgestanden und zu einem Schrank an der Wand getreten, um frische Becher und eine weiteren vollen Krug zu bringen. Auch Syrill und Melton schenkte er davon ein. Danach nahm er ebenfalls wieder Platz.
„Aber nun gut. Zumindest für euch werden die Anweisungen unseres Rats zum Vorteil gereichen.“
Hastor zog fragend eine Augenbraue hoch. „Wie meint Ihr das?“
Die Männer hatten bereits einen tiefen Zug aus ihren Bechern getan und auch Syrill nippte nun vorsichtig an dem seinen. Es war ein sehr milder und fruchtiger Wein, der zusätzlich scheinbar noch mit etwas Wasser verdünnt worden war. Der Schrank hatte ihn zudem recht kühl gehalten, sodass es ein wirklich erfrischendes Getränk abgab.
„Nun, die Ratsherren haben für Spätankömmlinge mit einem renommierten Ruf, so wie Ihr also, mehrere Plätze in der Stadt freihalten lassen. Es kann sein, dass man dies mit etwas Nachdruck durchsetzen werden muss, aber das soll nicht Euer Problem sein. Die Anweisungen waren unmissverständlich.“

„Wer hätte das gedacht? Es scheint, als hätten wir hier zumindest etwas Glück.“ Sie waren soeben aus Chrasinius' Amtsgebäude getreten und Hastor schien tatsächlich recht erleichtert und das Erzählte für die Gruppe ein richtiger Glücksfall. Chrasinius wollte ihnen zum morgigen Sonnenaufgang einen Boten schicken, der ihnen den Platz weisen sollte. Melton hatte hierbei zwar leise aufgestöhnt, doch eine spätere Uhrzeit wäre kaum praktisch gewesen, bei den überquellenden Straßen.
„So, das bedeutet ihr dürft euch jetzt für genau eine Sache entscheiden, die wir heute noch unternehmen und dann machen wir uns auf den Weg zurück. Die Nacht wird kurz.“

So sollte es auch sein. Die Jungen wollten es sich natürlich nicht nehmen lassen, wenigstens einmal über den Marktplatz zu schlendern, was an sich schon eine abendfüllende Beschäftigung war. Einmal im Tumult war ein schnelles Durch- oder auch wieder Zurückkommen fast ausgeschlossen. So mussten sie sich von den Massen treiben lassen und waren fast vollauf beschäftigt, dabei zusammen zu bleiben. Kurze Blicke im Vorbeigehen auf die jeweiligen weniger umringten Stände waren alles, was sonst noch möglich war, bevor sie sich wieder auf den Rückweg zu den Wagen machten.

* * *

Der nächste Tag bedeutete für alle von den Schaustellern mehr als genug zu tun. Zwar konnten nicht sämtliche Wagen, in der Nähe des Platzes für die Bühne aufgestellt werden und blieben somit dort wo sie waren, doch mussten natürlich trotzdem alle Bauten und Requisiten dorthin geschafft werden. Je weiter der Tag fort schritt, desto beschwerlicher wurde die Arbeit. Die Straßen wurden wieder voll und die bereits vorhandenen Stände gut besucht. Hastor gab seiner Gruppe vor, eine erste improvisierte Vorstellung am frühen Abend abzuhalten, was den ersten Schaulustigen auch immer wieder zugerufen wurde.
„Meister Hastors fahrendes Theater. Spannung, Artistik, Gaukelei. Freut euch, auf sich drehende, menschliche Zielscheiben, verbundene Augen und fliegende Messer. Jonglage mit brennenden Keulen in einer Zahl, wie ihr sie nie zuvor gesehen habt und so mancher von euch sicher nicht einmal bis dorthin zu zählen vermag. Zersägte wunderschöne Meiden, ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt wird und verschwundene Schwiegermütter, die, so die Götter wollen, niemals wieder gesehen werden. Bringt also mit, wen ihr mögt und schickt uns auch die, die ihr nicht ganz so nah am Herzen tragt. Wir beginnen am Abend und enden in der Nacht.“
Wie erwartet kam es immer wieder zu Gelächter bei dieser Art von Ankündigungen und spontanen Zwischenrufen. Hastor hatte ein gutes Gefühl was den Abend anging, doch trotz dem eigentlich ausreichenden Zeitfenster wurde es zum Ende gar knapp.

Der nächste Teil folgt im Laufe der Woche.

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