Dienstag, 23. August 2011

Prolog Teil 1 - Geburt

Prolog

Die Sonne würde bald aufgehen und noch schien die große Stadt wie erstarrt. Außer den mageren Ratten in den dunklen Ecken, waren die zahllosen Gassen und Straßen gänzlich leer.
Seit Tagen hatte der Winter das Land fest in seinem eisigen Griff und die Wolken am Himmel verhießen erneuten Schnee.
Ein Gebäude, im Armenviertel gelegen, fügte sich nahtlos in die Reihe der anderen Behausungen ein. Nicht ganz so baufällig und etwas größer, als die restlichen Baracken in dieser Gegend, unterschied es sich jedoch im Wesentlichen durch seine Besucher.

„Ihr müsst es noch hinauszögern! Die Nacht ist noch nicht vorüber. Gebt ihr mehr Kräuter.” Die Stimme des alten Mannes zitterte bei diesen Worten.
„Ich weiß Herr, wir tun alles was in unserer Macht steht. Doch das Kind wird schon zu lange zurückgehalten. Es drängt geradezu in die Welt.“
Erneut von Zittern begleitet: „Das ist mir einerlei. Nicht in dieser Nacht.“ Dann leiser: „Nicht in dieser.“
„Zu spät Herr, es kommt. Seht.“
Der Raum war nur von wenigen Kerzen erhellt, die ein schwaches Licht verbreiteten. Trotzdem war der Schrecken des älteren Mannes in seinen Augen klar zu erkennen. „Vergebens, dann war alles vergebens.”
Von Gram übermannt, taumelte der grauhaarige Mann ein paar Schritte zurück, bis er an die Zimmerwand stieß. Verzweifelt ließ er sich daran niedersinken und starrte in die letzte Glut der Holzscheite. Die Feuerstelle neben ihm gab nur noch mäßig Wärme ab, die Flammen waren schon längst verloschen.
Die alte Amme, die zwischen den Beinen ihres Schützlings kniete, wandte sich ihr wieder zu und begann Anweisungen zu geben.
Auf einem Lager aus Decken lag schweißüberströmt eine junge Frau. Ihr langes Haar klebte ihr strähnig im Gesicht. Die Anstrengungen der Nacht waren ihr deutlich anzusehen und schienen in diesem Moment ihren Höhepunkt zu finden. Ein lautes Stöhnen drang über ihre Lippen.
Eine zweite Amme, die neben der jungen Frau saß, hielt deren Hand und versuchte ihr damit Kraft zu geben. Mit der anderen Hand strich sie immer wieder der werdenden Mutter die Haare aus der Stirn.
“Ihr dürft es nicht mehr zurückhalten Herrin! Der Kopf ist schon da. Ihr müsst mit der nächsten Wehe pressen. Hört Ihr? Pressen!”

Plötzlich wurde die einzige Tür des kleinen Raumes aufgestoßen und ein Bewaffneter kam schnellen Schrittes herein. Kalte Luft mit sich herein tragend, trat er zügig vor den noch immer am Boden verharrenden Mann.
„Mein Herr, ich erhielt soeben Kunde, dass die Stadt durchkämmt wird. Man sucht nach ihr.”
Den Blick noch immer auf die Glut gerichtet, drangen die Worte nur langsam zu dem alten Mann vor. Seine Gedanken kreisten noch immer, um die nicht mehr aufzuhaltenden Ereignisse.
„Was sagtet ihr, Hauptmann?” Er richtete sich schwerfällig auf und schien, den Neuankömmling erst jetzt richtig wahrzunehmen.
„Die Straßen werden durchkämmt. Man wird auch hier bald sein. Meine Posten melden mir, dass die Zeit drängt.” Schnell und eindringlich sprach der Hauptmann, während er die Lage erläuterte. „Kreuz und quer bewegen sich die Gruppen unabhängig voneinander durch die Gassen. Die Gewandung ist nicht bekannt und sie scheinen auf den ersten Blick kein bestimmtes Ziel zu verfolgen – ja, fast nicht aufzufallen. Doch ihr Weg führt eindeutig zu euch.”
„Dann tut wie besprochen. Kommt danach so schnell als möglich wieder zurück. Unser Vorhaben nimmt eine neue Wendung.”
Der Hauptmann drehte bei diesen Worten, zum ersten Mal seit seinem Eintreffen, den Kopf zum Lager der jungen Frau und erkannte erst jetzt, dass die Geburt in den letzten Zügen lag.
„Ay, mein Herr.”
Zügig eilte er zur Tür, als er plötzlich zurück gerufen wurde. Er wandte sich erneut zur Feuerstelle.
„Hauptmann, habt Dank für das was ihr hier tut.”
Dieser nickte nur kurz, drehte sich um und verließ den Raum.

Der Hauptmann beeilte sich, aus dem stickigen Flur zu gelangen. Er benutzte denselben Weg, den er auch gekommen war – nicht zur Vorderseite, sondern über ein Fenster in eine Seitengasse hinaus.
Noch lag sein Weg dunkel vor ihm, doch am Himmel konnte er bereits das erste Dämmerlicht des Morgens erkennen, das sich seinen Weg durch die dichten Wolken bahnte. Er konnte nicht anders, als innerlich verbittert aufzulachen. Wie knapp war ihre Hoffnung doch gescheitert, der Nacht zu entgehen.
Schnell eilte er weiter und trotz des leichten Kettenhemds und der schweren Stiefel, die er trug, waren seine Schritte im Schnee sicher und leise.
Der kalte Wind, der ihm ins Gesicht blies, trieb ihm Tränen in die Augen. Er zog seinen dunkelgrauen Winterumhang enger um sich, doch die beißende Kälte blieb.
So setzte er seinen Weg fort, bis er an eine Kreuzung gelangte. Vor ihm lag offen und übersichtlich eine etwas breitere Straße. Erst die Gasse auf der anderen Seite bot wieder Schutz vor unerwünschten Blicken.
Schon wollte er losgehen, als ihn eine kurze Bewegung innerhalb seines geplanten Weges inne halten ließ.
Eine Ratte rannte aus der gegenüberliegenden Gasse direkt auf die kreuzende Straße, als wäre sie von etwas aufgescheucht worden. Der erfahrene Kämpe presste sich enger an die raue Hauswand und wartete.
Er starrte angestrengt über die Straße, um etwas ausmachen zu können. Die Breite der Straße war gerade so bemessen, dass zwei Wagen ungehindert aneinander vorbei konnten. Tiefe Rillen in dem steingepflasterten Boden zeigten an den wenigen schneefreien Stellen, dass es sich hierbei um eine tags viel befahrene Strecke handelte. Es war eine der wenigen Verbindungsstraßen, die dieses fast gänzlich abgeschottete Viertel mit den anderen Bezirken verband. Etliche Augenblicke wartete er ab und zwang sich zur Geduld. Immer wieder bildete sein Atem leichte Nebelwölkchen in der kalten Nachtluft. Er war sich schon sicher, dass der Weg frei und ungefährlich sein könnte, als er zwei schmale rot leuchtende Punkte in der Gasse gegenüber wahrnahm.
Innerlich fluchte er, zog sich dann jedoch, so vorsichtig es ihm möglich war, in seine Gasse zurück. Er wusste nicht, was ihn auf der anderen Seite erwartete, doch er wollte es in diesem Moment auch nicht herausfinden. Die Not des Moments zwang ihn zu einem anderen Vorgehen. Einem Umweg folgend kam er endlich, ohne weitere Zwischenfälle, an sein Ziel – ein Kellerfenster in einem kleinen, verdreckten Hinterhof.

2 Kommentare:

  1. Hallo Andreas,

    ich sehe schon: Die anfängliche Tortur von Schwung- über Schönschreibübungen, gefolgt von aufgezwungenen Rechtschreibüberprüfungen (Diktate) und endlosen Aufsatzgefechten, konnten dir die Leidenschaft zu eigenen intrinsisch motivierten Schreibprodukten nicht nehmen ;-)
    Weiter so!

    Beste Grüße
    Ralph (Schumacher)

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  2. Hallo Ralph,

    richtig. Für irgendwas mussten die ganzen Übungen ja gut sein. ;-)

    Danke und Gruß
    Andreas

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