Montag, 12. Dezember 2011

2. Kapitel Teil 9 - Erinnerungen

Der Nachmittag verging etwas zäh. Die beiden Brüder waren überwiegend mit Besorgungen für ihre Mutter beschäftigt und versorgten anschließend noch Marius mit Essen und Trinken. Dieser saß den ganzen Tag gelangweilt am Theater fest und achtete darauf, dass dort nichts weg kam oder beschädigt wurde.
Zum Abend hin fand sich die Truppe dann wieder an der Bühne ein, um das Publikum mit allerlei Kunststücken und Späßen zu unterhalten. Erneut ergriff der Zauber der Darbietungen, die Zuschauer und die Spenden fielen dementsprechend zufriedenstellend aus.
Während Syrill und Melton wieder für die Requisiten zuständig waren, glitt Meltons Blick immer wieder über die zahllosen Passanten. Doch nicht, wie am Vortag aus Faszination, sondern mehr geschuldet einer Mischung aus Besorgnis und Neugier. Er rechnete fast schon damit, dass jeden Moment das Katzenwesen bei ihrem Theater auftauchen und sie mit demselben intensiven Blick beobachten würde, wie heute Mittag die Kämpfer in der Arena. Er wusste nicht, warum ihn diese Vorstellung so sehr beunruhigte, aber sie tat es.
Selbst in der Nacht, in ihrem Wagen, dachte Melton noch, vor dem Einschlafen über das katzenartige Geschöpf nach. Er nahm sich vor, am nächsten Tag mit Dareck oder seinem Vater zu sprechen. Einer von ihnen hatte sicher schon einmal ein solches Wesen gesehen. Mit der unerklärlichen Gewissheit, dass mehr Wissen ihm das schlechte Gefühl nehmen würde, schlief er schließlich ein.

Tatsächlich bekam er schon früh am nächsten Tag Gelegenheit, allein mit Dareck zu sprechen. Syrill versuchte, sich mit Khalid eine Variation ihrer Hochseilkonstruktion einfallen zu lassen, was Melton jedoch nur für einen Vorwand hielt, um nicht wieder Botengänge für ihre Mutter erledigen zu müssen. Er konnte sich nicht vorstellen, was Syrill hier wirklich hätte beitragen können. Wäre ihm dies selbst nicht so gelegen gekommen, wäre er wohl böse auf seinen Bruder gewesen.
So nahm er es hin, dass er alleine durch die Gegend geschickt wurde. Seine Mutter zweifelte zwar kurz, ob es nicht doch etwas zu gefährlich sei, für einen der Jungen allein, doch Melton versuchte einen selbstbewussten Eindruck zu machen und überzeugte sie so schließlich. Immerhin waren sie die Straßen bereits gestern, mehrmals abgelaufen und sie schärfte ihm ein, keine eigenständigen Streifzüge zu unternehmen.
Aber das hatte Melton sowieso nicht vor. Er ging also auf direktem Weg zum Platz ihres Theaters, wo heute früh Dareck mit dem Aufpassen betraut war. Im Prinzip war es eine reine Vorsichtsmaßnahme von Hastor, der Angst hatte, jemand könne seine Konstruktion ausspähen. Dinge von materiellem Wert, waren außerhalb der Vorstellungen sowieso nicht in der Nähe der Bühne. Dementsprechend lax wurde die Morgenwacht auch gehandhabt, wie Melton feststellen konnte, als er mit frischem Brot und einem Krug Wasser bei Dareck eintraf. Dieser war gerade aufs intensivste beschäftigt, Freundschaft mit einer jungen Magd zu schließen. Melton kannte das schon. Er hielt sich diskret zurück und besah sich die Wagen in unmittelbarer Nähe. Als das Mädchen sich endlich verabschiedete, winkte der Messerwerfer Meton zu sich.
„Hättest ruhig herkommen können.“, meinte Dareck mit vollem Mund, nachdem er herzhaft abgebissen hatte. Melton winkte ab. Er setzte sich neben Dareck auf den Bühnenrand und lies die Beine baumeln. Irgendwie wusste er nicht richtig, wie er beginnen sollte. Aus Darecks Richtung kam noch der unverkennbare Geruch billigen Biers. Scheinbar hatte er eine kurze Nacht gehabt. Ein gutes Zeichen für ein lockeres Gespräch, wie Melton fand.
„Na, wie gefällt dir die Stadt?“, fragte Dareck plötzlich. „Ziemlich groß, hm?“
Der Junge nickte.
„Ich bin in so einer aufgewachsen, weißt du? Nicht ganz so groß, aber vergleichbar. War viel auf den Straßen zu Hause, gerade in deinem Alter.“
Melton sah ihn an. Davon hatte er noch nie erzählt.
„War eine harte Zeit, aber hat mich viel gelehrt. Hat meine Hände erst so geschickt gemacht, wie sie heute sind.“ Dareck zwinkerte ihm zu.
„Entschuldige, ich bin wohl gerade etwas rührselig. Aber dieses Weißenburg weckt irgendwie alte Erinnerungen.“ Dann nahm er einen großen Schluck aus dem Krug.
„Schon gut, erzähl bitte weiter. Wieso warst du auf der Straße?“ Melton versuchte das Gespräch am Laufen zu halten, auch weil es ihn interessierte, aus der Vergangenheit seines Freundes zu hören. "Was war denn mit deinen Eltern?"
Doch Dareck schwieg.
Sie saßen beide nur da und beobachteten die Passanten, die vorbei gingen. Gerade als Melton einen Versuch wagen wollte, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, sprach Dareck weiter.
„Weißt du, es war alles anders damals, als die Spürer umgingen.“
Melton schaute ihn fragend an: „Spürer?“
„Ja, damals als die Magie verschwand.“ Melton machte große Augen.
„Naja, verschwand ist wohl der falsche Ausdruck... ausgemerzt trifft es besser.“

Tschuldigung, bin heute leider etwas zu spät dran. Ich hoffe aber, dass der Teil etwas dafür entschädigt. Weiter gehts in einer Woche.

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