Sonntag, 18. Dezember 2011

2. Kapitel Teil 10 - Dunkle Vergangeheit

Dareck spuckte auf den Boden, als ob er einen unangenehmen Geschmack los werden müsste.
„Wie meinst du das? Meinst du richtige... also, ich will sagen echte Magie?“ Der Junge war richtig überrascht; noch nie hatte jemand davon etwas erzählt.
Darecks Augen blickten ins Leere. Seine Gedanken schienen zu einem bestimmten Ereignis zurück zu kehren.
„Zauberei, Hexerei, Kräfte, Magie... alles dasselbe. Meine Mutter hatte so eine Fähigkeit. Sie konnte Dinge bewegen, allein durch ihre Gedanken. Nichts Großes, nur so, dass es reichte ein Blatt in der Luft tanzen, oder ein paar Schneeflocken sich im Kreis drehen zu lassen. Ich liebte das, als ich noch klein war. Doch irgendwann bekamen die Menschen scheinbar Angst. Nicht vor meiner Mutter, dazu waren ihre Kräfte viel zu gering. Doch gab es auch welche, die mehr, als nur ein paar Blätter um sich selbst wirbeln lassen konnten. Kannst du dir vorstellen Mel, dass jemand nur durch seinen Willen, einen so starken Wind entfacht, dass er sogar Menschen wegtragen kann?“ Melton schüttelte den Kopf. Das konnte er sich tatsächlich nicht vorstellen.
„Doch, so war es aber. Und das war nicht alles. Andere konnten Wasser aus der Luft erscheinen lassen. Eigentlich nichts Schlechtes, könnte man meinen, doch wenn das Wasser statt auf dem trockenen Feld, in deinem Hals entsteht, dann wird sogar etwas sehr Schlechtes daraus.“
Darecks Gesichtsausdruck war finster geworden, als er von dieser Zeit erzählte. Auch das Brot hatte er beiseite gelegt. Scheinbar war sein Hunger vergangen.
„Nur wenige hatten überhaupt diese Kräfte und noch weniger waren so mächtig, dass sie anderen damit Schaden konnten. - Doch es genügte. Die Menschen hatten Angst oder waren zumindest verunsichert, besonders die, die selbst bereits Macht, aber keine dieser besonderen Fähigkeiten hatten.
Es fanden sich Spürer, wie sie sich selbst nannten. Menschen, die zwar keine Effekte bewirken, aber dafür die Kräfte anderer irgendwie fühlen konnten. In kleinen Gruppen zogen sie durch die Lande und fanden diejenigen, die sie wahrscheinlich tief im Herzen eigentlich beneideten. Natürlich alles legitimiert und bezahlt von der Gerichtsbarkeit der Landesfürsten oder den Herrschaftshäusern. In manchen Gebieten gab es richtige Kopfprämien.“ Erneut spuckte Dareck aus.
„Aber war das denn nicht gefährlich, wenn es welche mit so mächtigen Kräften gab? Ich meine, die müssen sich doch gewehrt haben.“, hakte Melton ein.
„Oh, die wirklich Mächtigen haben das auch, das kannst du glauben, nur mussten auch sie irgendwann schlafen, denk ich mal. Aber die meisten Spürer haben sich natürlich erst einmal um die gekümmert, die nicht so gefährlich waren.“
„So wie deine Mutter, oder Dareck?“ Meltons Stimme war leise geworden bei dieser Frage.
„Ja, wie meine Mutter.“ Dareck versank erneut kurz in Schweigen.
„Die meisten wurden weggebracht, ich weiß nicht wohin. Manche kamen zurück, ohne dass sie je wieder ein Spürer behelligt hätte, andere blieben verschwunden. Keiner redete darüber. Mein Vater war im Winter zuvor am Fieber gestorben und meine Mutter wollte mich nicht allein zurück lassen. Es gab niemanden, der sich um mich gekümmert hätte. Sie flehte die Männer an, die mit dem ersten Licht des Tages in unser Haus gekommen waren. Sie wäre doch keine Gefahr. Doch das ließ die Männer kalt. Ob mit oder gegen ihren Willen, sie würden sie mitnehmen, hatte einer der Männer zu ihr gesagt. Wenn sie sich aber so Sorgen, um mich machen würde, könnte er ihr diese gerne abnehmen. Die anderen Männer quittierten das mit einem Lachen, als er mit seinem Messer auf mich zeigte. Und das war das letzte Mal, dass ich meine Mutter sah.“
Wieder kam es zu einem langen Moment des Schweigens. Melton hatten die Worte tief getroffen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das sein musste, seine Familie zu verlieren. Doch eine Sache musste er noch wissen:„Wann... ich meine, wie alt warst du da?“
„Ich war sieben.“
Nun verstand Melton, weswegen Dareck oft so griesgrämig und finster wirkte. Er hatte schon in jungen Jahren Schreckliches erlebt. Was er danach noch alles durchmachen musste, konnte der Junge nur erahnen. Melton hätte gerne mehr erfahren, aber er wollte Dareck nicht bedrängen. Er sah, dass es den Messerwerfer sehr bedrückte, darüber zu reden, auch wenn dieser von selbst damit begonnen hatte.
Darecks Erzählung hatte viele Fragen in Melton geweckt. Warum hatte er von diesen Dingen noch nie etwas gehört?
Wahre Magie. Und das nicht nur bei irgendwelchen Höllenwesen. Er musste unwillkürlich an das glutäugige Geschöpf denken, das Chester und auch beinahe Marius auf dem Gewissen hatte. Er konnte es kaum glauben. Woher kamen diese Kräfte und wie hatten sie – wie hatte Dareck es genannt – ausgemerzt werden können? Aber waren sie das wirklich? Straften die Ereignisse, von vor wenigen Tagen diese Aussage nicht Lügen?
Er musste unbedingt mit Syrill hierüber sprechen. Er war sich sicher, dass es sein Bruder jetzt bereuen würde, nicht mit ihm zusammen die Botengänge erledigt zu haben.

Bis in einer Woche.

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