Dienstag, 28. August 2012

3. Kapitel Teil 13 - „Die Spiele des Schwertes sind somit begonnen.“


Wie gewünscht zeigte der Richter ihnen den Platz, der in vier separate Kampfbereiche unterteilt war, die mit Holzumrandungen eingezäunt waren. Er führte sie zu den Vorbereitungsecken, in denen sich auch die Adjutanten während eines Kampf aufhalten würden und ließ dann den Bären die Turnierwaffen sehen.
„Was für 'ne Kuhpisse! Ich sollte eigentlich sofort meine Meldung zurückziehen.“ Der Freiherr warf das Schwert, das er gerade in Augenschein genommen hatte, wieder zurück auf den Tisch, wo die zur Verfügung stehenden Klingen ausgebreitet waren. Der Richter hatte zuvor versichert, dass für jeden Kämpfer etwas passendes dabei sein sollte und auf beiden Seiten je Kampfplatz exakt dieselben Klingen lägen. Tatsächlich befand Kelor die Auswahl auch mehr als reichlich. Er zählte fast an die zwanzig unterschiedliche Arten von Schwertern, die hier bereit lagen. Vom leichten Kurzschwert in gerader Form, zu einer Variante mit stark gebogener Klinge, sah er auch schmale Schwerter, wie sie die Gardisten trugen und große brachiale Waffen, die ihn schon mehr an Keulen, denn Schwerter denken ließen. Doch alle hatten eines gemeinsam - sie trugen keine richtige Spitze, waren stumpf, und extra für das Turnier angefertigt worden.
„Ihr in euren freien Städten, müsst euch immer etwas Eigenes ausdenken, statt es den Turnieren nach dem allgemeinen Kodex gleich zu tun. Vor was hat euer Rat denn Angst? Dass sich einer eurer bürgerlichen Recken aus Versehen und im Bierdunst, in ein Schwert stürzt und in der Arena verreckt?“, donnerte der Bär los.
„Es soll kein Blut fließen und die Verletzungen auf ein Minimum beschränkt werden.“, versuchte der Richter den Ratsentscheid zu entschuldigen.
„Ha, leg deine Hand auf den Tisch und ich zeige dir, wie sehr eure stumpfen Klingen dich diese behalten lassen.“
Darauf wusste der Richter auch keine Erwiderung und wirkte etwas gekränkt. Man sah ihm deutlich an, dass er bisher die Ratsentscheidung gut geheißen und kaum hinterfragt hatte.
Der Bär wartete auch nicht, bis dem Mann etwas eingefallen war, sondern ging schnaubend in Richtung der Vorbereitungsecken davon. Kelor wollte sich nicht wieder rufen lassen müssen und folgte dem Freiherren resigniert nach.
„Verletzungen beschränken. Pah. Ich werde den Idioten zeigen, was wirklich Verletzungen beschränkt. Das Teilnehmerfeld auf erfahrene Ritter und Kämpen reduzieren, das hätten sie tun sollen.“, tobte der schwarze Bär noch immer, als Kelor ihn erreichte.
Er hatte auch nicht ganz unrecht, wie Kelor wusste. Bei Turnieren nach dem Kodex brachte jeder Kämpe seine eigenen Waffen, die er gewohnt war und beherrschte. Größere Blessuren waren dabei überaus selten, was natürlich auch der Tatsache geschuldet war, dass nur Ritter, Knappen und wenige sonstige Ausnahmen teilnehmen durften. Jeder kannte die Regeln, zeigte eine gewisse ritterliche Ehre und übte den damit verbundenen Respekt und Rücksicht. Selbstverständlich lebte mancher die Ehre stärker als andere und der Bär war nicht gerade bekannt dafür, zu den besonders rücksichtsvollen Kämpfern zu gehören.
Kelor ahnte, dass die Besucher der Schwertarena recht ordentlich auf ihre Kosten kommen würden, wenn nichts geschah, was den Bären noch besänftigen würde.

Nachdem der Freiherr Kelor kurz und knapp erklärt hatte, was er von ihm während der Kämpfe und den dazwischen liegenden Pausen erwartete, hieß es warten. Von weiter weg, hörte man zwischenzeitlich auch leisen Jubel, durch die immer drückender, werdende Luft herüber schallen. Erste andere Kämpfer fanden sich ebenfalls nach und nach ein und bald füllten sich auch die Zuschauerränge.
Kelor hatte sich, als der Bär ihn losschickte, um kühles Dünnbier zu besorgen, auch mit den Wettkampfrunden vertraut gemacht. Es gab drei Kampftage an denen die jeweils zehn Besten, sich für den Finaltag qualifizieren konnten. Diese wurden in zehn Gruppenrunden ermittelt, in denen immer fünf Kämpfer, jeder gegen jeden kämpfte. Wer am Ende am meisten Einzelgefechte für sich verbuchen konnte, zog in den Finaltag ein.
Kelor, der nicht nur des Lesens, sondern auch der Grundrechenarten mächtig war, erkannte, dass es sich allein beim Schwertkampf um das wohl größte Turnier handeln musste, von dem er je gehört hatte. Er vermutete, dass es bei den anderen Wettkämpfen nicht ganz so einen Zulauf gegeben haben dürfte, zumindest was die klassischen Bewerbe, wie das Tjosten anging. Schließlich würden Reittiere kaum gleichfalls gestellt werden.
Kelor hatte auf dem Aushang ebenso gesehen, dass der Zeitplan für jede Gruppe etwa zwei Stunden vorgesehen hatte. Von daher sollte sein unfreiwilliger Knappendienst glücklicherweise nicht allzu lange dauern. Wenn er ehrlich war, spürte der junge Gardist in der Zwischenzeit, auch durchaus eine gewisse Spannung und Vorfreude auf das Geschehen. Er war überaus neugierig, wie sich der Freiherr schlagen würde. An Hand des Aushangs hatte er festgestellt, dass noch zwei weitere Ritter zu ihnen gelost worden waren und bei den beiden letzten, es sich den Namen nach, um Teilnehmer des gemeinen Volkes handeln musste.
Endlich waren die Tribünen voll und die Fahne, die alle paar Minuten etwas höher gehisst wurde, hatte nun fast das Ende des Masts erreicht. Jeder sah, dass es nun bald losgehen musste und der Lärmpegel schwoll immer mehr an. Als endlich die Fahne die letzte Elle hinauf gezogen wurde, erschallte lauter Jubel. Begleitet von einer Fanfare betrat der Richter des Spiels gemessenen Schrittes den Turnierplatz. Er wartete geduldig, bis sich der Trubel etwas gelegt hatte und verneigte sich dann in Richtung Haevons Tempel, vor der sich auch die Ehrentribüne befand. Kelor sah, dass Stadtoberster Goldwien scheinbar noch nicht eingetroffen war. Statt das Volk mit langen Reden zu langweilen, rief der Richter nur mit lauter Stimme: „Die Spiele des Schwertes sind somit begonnen.“ Unter erneutem lauten Jubel, verließ er danach wieder den Platz und weitere Richter in den weißen Wappenröcken der Stadt betraten die jeweiligen Kampfbereiche und riefen die ersten Kämpfer zu sich.
Freiherr Roderick sollte erst den zweiten Kampf bestreiten, womit Kelor sich völlig dem Geschehen in der Mitte widmen konnte. Er sah dort bereits in den ersten Paarungen sehr unterschiedliche Recken, was interessante Duelle bedeuten durfte. Ein bestens gewappneter Ritter stand einem ebensolchen Gegner gegenüber, während auf dem anderen Platz eine große Frau in Lederkleidung auf einen dünnen, hemdsärmeligen Jungspund traf. Auf dem dritten Platz stand ein altgedienter Soldat, in abgetragenem Rüstzeug recht verlassen herum und wartete scheinbar auf seinen noch nicht erschienen Gegner.
Aus ihrer eigenen Gruppe würden zwei ebenfalls viel versprechende Kämpfer das Turnier beginnen. Bei dem einen handelte es sich um einen ungeschlachten, dunkelhäutigen Mann in einfacher Lederrüstung, die bereits einige Schläge abgehalten haben musste, wie man an den Flicken und Ausbesserungen erkennen konnte. Auch die Narben auf den bloßen Armen des Hünen zeigten, dass er einige Hiebe nicht nur mit der Rüstung abgefangen hatte. Er hatte sich für eine Bastardklinge entschieden. Ein Schwert, das man sowohl ein- als auch beidhändig führen konnte.
Ihm gegenüber stand ein drahtiger Mann mit zwei kurzen Schwertern in Händen. Eine Rüstung schien er nicht für nötig zu erachten. Dann begann es.