Sonntag, 29. April 2012

3. Kapitel Teil 8 - Tränen der Verzweiflung

Langsamen Schrittes kam der Mann auf Syl zu, die widerwärtige Klinge direkt auf ihn gerichtet.
Erneut überschlugen sich die Gedanken des Jungen, suchten fieberhaft nach einem Ausweg. Es gab nur das Bett, auf dem er sich befand und den tödlichen Mann direkt vor ihm. Alles außerhalb seiner Reichweite war wie ausgeblendet. Dann schärfte sich sein Denken. Was hatte Selina vorhin neben der Matratze gesucht? Vielleicht war dort eine Waffe versteckt, die sie unbemerkt versucht hatte, zu erreichen. An diesem Gedanken fraß er sich fest. So musste es sein. Ein Dolch oder gar ein Schwert. Damit würde er sich retten können, war Syrill plötzlich überzeugt.
Beim nächsten Schritt des Mannes warf er sich zum Fußende und griff zwischen Matratze und Bettgestell. Mit dem stechenden Schmerz in seiner Seite kam auch die Klarheit zurück. Selbst wenn dort ein Schwert versteckt wäre, hätte er sich wohl kaum erfolgreich damit zur Wehr setzen können. Seine ganze Erfahrung im Umgang mit Waffen beschränkte sich auf das Spiel mit Holzstöcken und seinem Bruder. Dabei war er zwar stets der Siegreiche, wenn er Melton nicht gerade gewinnen lies, doch das hier war etwas gänzlich anderes.
Er sah den Mann für den Bruchteil eines Moments in seiner Bewegung zögern, als Syls jäher Sprung diesen scheinbar überrascht hatte. Doch sofort änderte sich dessen Haltung. Statt der gelassenen und aufrechten Positur, nahm er urplötzlich eine geduckte und gespannte Haltung ein. Syrill tastete wie wild weiter, wenn sich die vorherige Zuversicht auch bereits zerstreute. Er wollte schon aufgeben, als er tatsächlich etwas fand. Er umfasste eine Art Griff und zog. Er zog mit all seiner Kraft, doch er konnte, was immer er in Händen hielt, nicht befreien oder losreißen. Voller Wut schrie er auf und zog erneut. Doch in dem Moment hatte der Mann offensichtlich genug und hechtete auf Syl zu. Der lies los und rollte zur Seite, als die Klinge des Mannes in die Matratze fuhr. Syrill fiel dabei herunter und landete auf dem Boden, was ihm erneut wilde Schmerzen einbrachte.
Dort auf dem Rücken liegend, sah er den Mann plötzlich über sich stehen. Syrill zog beide Beine an und trat mit aller Kraft in Richtung der Knie des Mannes. Doch dieses Mal hatte er kein Glück, als sein Gegner geschickt zur Seite sprang. Verzweifelt und hilflos robbte der Junge immer weiter zurück, während die Lippen des Mannes wieder ein hässliches Lächeln umspielte, als er sich erneut langsam näherte.
Da wurde Syrills Bewegung aufgehalten, als er rücklings gegen etwas stieß. Er drehte den Kopf und sah in die toten Augen Selinas. Er hatte den Eindruck, als würden die ihren auch in seine blicken, um ihn dort, wo immer sie gerade war, willkommen zu heißen.
Tränen trübten seinen Blick. Er wollte nicht sterben. Nicht hier, nicht so und nicht, ohne zu wissen, weswegen. Der Junge schluchzte verzweifelt auf und begann dann flehentlich zu weinen: „Bitte. Nicht. Ich hab doch nichts getan. Ich wollte Euch auch gar nicht dort sehen. Bitte. Ich weiß doch auch gar nicht wer Ihr seid. Ich wollte nur den Menschen dort helfen.“
„Ich weiß. Aber es ist so wie es ist.“ Syrill meinte tatsächlich so etwas wie Bedauern heraus zu hören. Kein Lächeln war dieses Mal zu sehen. Die Miene des Mannes war wie versteinert.
„Ich bin doch nur ein Junge.“, entfuhr es Syrill noch, dann überkam ihn ein fürchterlicher Heulkrampf, als sich der Mann mit der Klinge über ihn beugte und der Junge zusammenbrach.
Syl sah es nicht, nahm es auch kaum wahr, als plötzlich hinter ihm die Tür mit einem lauten Schlag aufgestoßen wurde. Der Mann mit dem Messer jedoch schon.
„Was, bei allen Felsenschluchten und Schmiedefeuern ist denn hier los?“, donnerte eine tiefe Stimme.

* * *

Kosch hatte es am gestrigen Abend vorsichtiger angehen lassen. Es zwickte ihn zwar, die zu seinem Widerwillen, doch recht angenehmen Erinnerungen an das kühle Bad, nicht in den Nebel des Vergessens getrunken zu haben, doch ein Kampf ist ein Kampf. Und gleich zwei im Rahmen des Wettkampfs standen heute für ihn an. Er hatte sich von Kelor noch die schnellsten Wege zu den verschiedenen Wettkampfstätten erklären lassen, die heute auf dem Plan standen und der junge Gardist hatte ihn am Ende sogar davon überzeugt, der Eröffnung fern zu bleiben. Der Weg von dort, zur Arena der Ringkämpfe wäre nach Meinung des Jungen zu lang und wahrscheinlich zu überfüllt gewesen. Kosch war sich sicher, dass dieser tattrige Stadtschreiber ihm mit Absicht einen so frühen Kampf zugeschanzt hatte. An eine faire Auslosung wollte er nicht so recht glauben.
Wie auch immer. Er konnte die Zeit auch anderweitig nutzen und so sehr hatte ihn das Geschwätz eines Ratsobersten nun auch nicht interessiert. Kosch hatte sich erinnert, dass er noch der Bitte eines Freundes nachkommen wollte, der eine Verwandte in Weißenburg hatte. Für sie hatte Kosch einen Brief mitgegeben bekommen. Er verstand zwar nicht, wie jemand vom Felsenvolk dauerhaft an solch einem Fleck leben konnte, aber wem gelang dies schon bei Frauen. So hatte er sich von Kelor also noch ein weiteres Ziel für diesen Tag beschreiben lassen.
Als er am heutigen Morgen vor den Türen des 'schweigsamen Gartens' stand, konnte er sich immer noch nicht so richtig erklären, weswegen der Junge so gefeixt hatte, als er erklärte, dass er dort, noch vor den Kämpfen etwas loswerden wollte.
„Du wirst schon wissen, wie du dich am besten auf einen Kampf einstimmst.“, hatte Kelor mit einem Schmunzeln nur gesagt.
Kosch war also wieder früh aufgebrochen, zum einen, um dem Gewühl zu entgehen und zum anderen, da er diesmal seine fast vollständige Ausrüstung mit sich führte. So klopfte er dann an. Es dauerte jedoch eine kleine Weile, bis sich etwas tat.
Ein Klappe in der Tür öffnete sich und ein rundes pausbäckiges Gesicht mit kleinen Schweinsäuglein musterte ihn.
„Wir haben noch geschlossen und öffnen heute auch erst nach der Ansprache. Sperrstunde, mein Herr. Unsere Vögelchen sind auch alle noch am schlafen oder bereits ausgeflogen. Bitte kommt also später wieder, dann finden wir mit Sicherheit auch etwas angemessenes für Euch.“ Dabei sprach der Mann auf eine merkwürdig singenden Art und Weise.
Die Klappe war schon fast wieder geschlossen, als Kosch schnell antwortete: „Halt, halt. Was will ich denn mit Vögeln? Ich suche Gramil vom Clan der Silberschmiede und habe einen Brief von ihrem Neffen für sie.“ Er fragte sich, ob er wirklich richtig war. Vögel und Gärten. Das passte so gar nicht zu jemandem seines Volkes.
„Gramil sagt Ihr? Nun, wenn dem so ist, dann kann ich Euch wohl einlassen.“

Ein süffiges Morgenbier war eine gute Entschädigung für den kleinen Schrecken, den er bekommen hatte, als er endlich erkannte, um was für ein Etablissement es sich beim schweigsamen Garten handelte. Nicht, dass es nicht auch bei seinem Volk Bordelle gegeben hätte, aber die hatten dann wenigstens eindeutigere Namen wie Lusthalle oder Freudenesse. Zwerginnen, die diesem Gewerbe nachgingen, waren zwar nicht unbedingt schlecht angesehen, aber man rühmte sich auch nicht dafür. Da ihn sein Freund nicht extra vorgewarnt hatte, war sich Kosch recht sicher, dass auch dieser keine Ahnung hatte, um was für ein Haus es sich hier handelte und er wollte es ihm ungern sagen müssen.
„Nein, nein. Ich gehöre nicht zu den käuflichen Mädchen. Ich bin so etwas, wie die Hausmutter hier.“ Sie schenkte ihm gerade noch mal nach, als sie sich in einem der privaten Räume des Anwesens unterhielten. Kosch blies den Schaum vom Rand seines Krugs herunter und fragte: „Hausmutter?“
„Naja, ich kümmere mich um die Mädchen. Bin für sie da, wenn sie Probleme haben. Koche, bessere ihre Kleidung aus und schau eben nach dem Rechten.“ Kosch nickte verstehend. Wahrscheinlich konnte er doch mit seinem Freund über ihren Arbeitsplatz sprechen.
„Aber jetzt sag, lieber Kosch, was geht in Siegenheim so vor sich.“
Er wollte gerade ansetzen zu erzählen, als ihn ein lautes Klingeln unterbrach. „Was'n das für n' Krach?“
Gramils Stimme klang erschrocken: „Das ist der Zimmeralarm eines der Mädchen.“

Sonntag, 15. April 2012

3. Kapitel Teil 7 - Blut am Boden

„Rein da! Setz dich zu dem Jungen und sei still!“ Der schneidende Ton, mit dem der Mann sprach, zeigte deutlich, dass das Mädchen besser seiner Aufforderung nachkam und das Messer in der Hand, das Syrill jetzt sehen konnte, unterstrich dies noch. Der Mann schloss schnell die Tür des Zimmers und hielt dann sein Ohr daran.
„Es ist sonst niemand...“, wollte Selina gerade ansetzen, als der Mann mit wütendem Blick herumfuhr und eine Hand, zur Stille mahnend hoch schnellen lies.
Selina verstummte, rappelte sich dann auf und setzte sich, wie befohlen neben Syrill auf das Bett.
Der Mann legte noch einmal sein Ohr an die Tür und verharrte so mehrere Atemzüge. Er war nicht wirklich groß, wie Syrill nun sah, aber auch nicht besonders klein. Sein braunes Haar trug er so kurz geschnitten, dass es gerade eben, nicht von alleine stand. Mit einfachen, braunen Hosen in einem groben Stoff und einem leinenen, weit geschnittenen Hemd, das von einem schmalen kurzen Gürtel zusammengehalten wurde, war der Mann so gekleidet, dass er ebenso auf einem Hof hätte arbeiten können, wie er auch in eine Abdeckerei gepasst hätte. Ein einfacher Sack, den er schräg über den Rücken trug und dessen Trageriemen vorne über die Brust ging, war neben dem Messer scheinbar alles, was er im Moment bei sich hatte. Das Blasrohr konnte Syrill jedenfalls nicht mehr entdecken.
Syl sah auch kurz zu Selina, die nun still neben ihm saß und ohne Unterlass den Mann beobachtete, während ihre Hand möglichst unauffällig, scheinbar nach irgendetwas zwischen Matratze und Bettgestell tastete. Doch der Mann hatte wohl lange genug lauschend verbracht und drehte sich nun zu ihnen um.
„Wenn ich sage, du sollst dein dreckiges Maul halten, dann tust du das.“, sprach er in ruhigem Ton zu Selina. „Wenn ich dir sage, du sollst dich setzen, dann tust du das auch und wenn ich dir Fragen stelle - und nur dann, beantwortest du sie.“
Syrill fühlte sich in dem Moment, als ob er Luft für den Mann wäre. Dieser sah in weder an, noch hatte er den Eindruck, dass die Worte auch an ihn gerichtet gewesen seien, wenn sich Syrill auch sicher war, dass es besser wäre, ihnen trotzdem nachzukommen. Das entspannte die Situation jedoch, in keinster Weise, für den Jungen.
„Also Mädchen, mit etwas Glück, kann das Ganze hier noch gut für dich ausgehen. Wenn du mich nicht anlügst, kannst du heute Abend schon für den nächsten die Beine breit machen. Wenn nicht, kann es sein, dass du nur noch dem Geschmack von wirklich wenigen Gästen entsprechen wirst.“ Dabei lies er das dünne, lange Messer elegant und leicht über seine Finger tanzen, was Syrill eine Gänsehaut über den Körper jagte.
„Was wolltest du vorhin also sagen? Es ist niemand mehr...?“
Selina schien kurz zu zögern, dann antwortete sie: „Es ist niemand mehr da. Wir sind allein.“ Als der Mann eine Augenbraue hob und den Kopf leicht schief legte, fügte sie noch schnell hinzu: „In diesem Teil des Gebäudes. Wir sind hier allein.“
„Ah, eine gute Antwort. Ich sehe, du hast mich verstanden.“, nickte der Mann zustimmend und Syrill sah klar vor seinem geistigen Auge, wie der Mann sich – wohl wissend, dass sie eben nicht völlig allein waren – eine Lüge Selinas, mit einem Ohr oder ihrer Nase hätte bezahlen lassen.
„Was hat der Bengel dir erzählt?“
Syrill hoffte um Selinas Willen, dass sie nun nichts Falsches sagte, denn für sich selbst hatte er diese bereits aufgegeben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass auch er die Chance bekäme, nur Fragen beantworten zu müssen.
„Nichts, er hat mir gar nichts erzählt.“, erwiderte das Mädchen zaghaft.
Der Mann kam bedrohlich einen Schritt näher. „Wo wolltest du dann so schnell hin, als du mir in die Arme liefst? Warum hattest du es so eilig?“
„Er... der Junge war aufgewacht. Und unsere alte Gramil sagte, dass ich sie sofort holen solle, wenn das geschieht.“ Der Mann zog nur wieder eine Augenbraue hoch und Selina sprach sofort weiter. „Die alte Gramil ist unser guter Hausgeist. Sie putzt, wäscht und kennt sich auch mit allerlei Verletzungen aus. Sie hatte seine Wunden bereits mit Salbe und den Verbänden versorgt.“
Syrill war überrascht, wie scheinbar mühelos, ihr ihre Geschichte über die Lippen kam, wo sie ihm doch eben erst die Verbände selbst angelegt hatte.
„Nun gut Mädchen, dann geh und hol deine Alte mal her.“
Selina wirkte irritiert. „Wirklich? Ich meine... warum?“
„Sollst du Fragen stellen, oder einfach tun was ich sage?“ Der Ton des Mannes hatte wieder diese Schärfe, die keinen Widerspruch duldete.
Sie stand auf, schaute noch einmal traurig zu Syrill und ging dann langsam Richtung Tür. Er sah in ihren Augen, dass sie nicht erwartete, ihn noch einmal lebend zu sehen, wenn sie jetzt ging. Doch was dann kam, überraschte sie beide.
Selina hatte gerade den Mann passiert, als dieser plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung einmal hart zustach. Syrill schrie auf, aber da sackte das Mädchen bereits still zusammen. Ein hässlicher, roter Fleck breitete sich schnell, von der Mitte ihres unteren Rückens auf dem Stoff und ihrem Körper aus. Syrill sah das schöne Mädchen - wie verlangsamt und einem Déjà-vu gleich - zu Boden gehen und dort hart mit dem Kopf aufschlagen. Ihr linkes Bein zuckte noch kurz, dann bewegte sie sich nicht mehr - nur noch ihr Blut quoll auf den schmalen hellen Teppich, der dort lag.
„Zu schade. Mit ihr hätte man sicher einigen Spaß haben können.“ Fast klang es wie echtes Bedauern, wenn Syrill nicht so ein boshaftes Lächeln die Lippen des Mannes umspielen gesehen hätte.
„So, mein Kleiner. Nun zu uns beiden.“ Langsamen Schrittes kam der Mann auf Syl zu.

Dienstag, 10. April 2012

Zwischenmeldung

Sorry für die Verspätung, aber Ostern hat mir einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht. Da ich mich mit meiner Familie, im Norden bei den Schwiegereltern aufgehalten habe und unser "Großer" eine richtig fiese Mandelentzündung, mit allem drum und dran, bekommen hat, hat es leider noch nicht geklappt.
Aber nächsten Sonntag ist der neue Teil fest eingeplant. Ich hoffe Ihr habt bis dahin noch ein Nachsehen.